Oder vielleicht kämen die Erben des Zahnarztes und würden behaupten, dass ich die Rechnung von 1995 noch nicht bezahlt hätte, dann könnte ich ihnen meine Rechnung mit meinem Vermerk „bezahlt am 23.7.1995“ unter die Nase halten und wäre fein raus.
Dann habe ich
in einem Kästchen noch etwas Spannendes gefunden: einen Stempel mit der
Aufschrift „Duplikat“. Ich habe seit Jahrzehnten kein „Duplikat“ mehr
abgestempelt. Immer nur auf die Kopie „Kopie“ mit Word geschrieben. Spätestens
seit Windows95. Dies bedeutet, dass dieses Kleinod der Buchdruckkunst, dieses
gutenbergsche Erbstück aus der Renaissance, dieses wahrhaft archaische
Instrument der Verfielfältigungsbeglaubigung seit wenigstens knapp 20 Jahren
bei mir im Keller liegt.
Was waren das
noch für Zeiten, als sich schlechtgelaunte Postbeamte am schlechtgelaunten Postbeamtenbriefeinlieferungsschalter
damit beschäftigten, auf die liebevoll von hinten geleckte Marke mit einem
satten Knall einen Postzeichenentwertungsstempelabdruck zu schlagen, quasi als akustisches
Zeichen, dass mein Brief mit der Bitte um den väterlichen Scheck nun in der
Verfügungsgewalt der Deutschen Bundespost war und seiner Beförderung durch
hochkompetente Postbeförderungsbeamte harrte.
Aus und
vorbei. Eine unbarmherzige Computerisierung hat dem guten alten, leicht
übergewichtigen Postbeamten unbarmherzig den Garaus gemacht und ihn durch die
Gemüseverkäuferin im Supermarkt oder, in den Hauptpostämtern, durch den guten
alten, leicht übergewichtigen Customer-Client-Relationship-Manager ersetzt, der
die Bitte nach einer Rolle selbstklebender Briefmarken mit der Frage kontert,
ob ich denn schon die wunderbare Finanzerlebniswelt der Postbank kenne und
diesbezüglich dringend eine Beratung wünsche. Was ich aber stets nicht wünsche.
Ich wollte nur Briefmarken, sonst nichts.
Ich stecke
den Stempel in die Tasche. Gutenbergs Erfindung war für die Welt und ihre
Geschichte zu wertvoll, um in meinem Keller ein karges Dasein bis zu seiner
Verrottung zu führen.
Und
tatsächlich: im nächsten Kundengespräch drücke ich meinen „Duplikat“-Stempel mit
dem berühmten satten „Patsch“ auf die Kundenkopie, die ich soeben mit Word
ausgedruckt habe und ernte ein erstauntes „das nenne ich aber mal ein
antiquiertes Geräusch“.
Mein
Gegenüber hat verstanden. Der satte Knall des Stempels signalisiert „Basta. Der
Vorgang ist abgeschlossen“.
Seitdem
stemple ich wieder. Stempeln macht Spaß, wirkt irgendwie offiziell und lässt
keine Wünsche offen. Keine rote Linie unter einem falsch geschriebenen Wort,
keine Veränderungen des Schriftgrades möglich, keine Fonts, keinen Irrtum, kein
garnichts. Mein Stempel und ich. Immer das gleiche Wort, egal, wie oft ich ihn
irgendwo draufhaue, immer in schöner Regelmäßigkeit. Und ich schwöre: so lange
es noch Stempelkissen gibt, werde ich allem wenn irgendwie möglich meinen
Stempel aufdrücken.
Allerdings
beschäftigt mich doch immer noch eine Frage, die mir auch das Internet nicht
beantworten konnte: wie bekommt man Stempelfarbe aus dem Hemd, wenn ich mir versehentlich den Ellbogen aufs Stempelkissen
gelegt habe?