Donnerstag, 30. Juni 2011

Der Sozialkritiker

Gelegentlich hat man das ja. Da gehe ich auf eine Lesung von Laienkollegen anlässlich des „Welttages des Buches“ oder anlässlich des schönen Wetters oder anlässlich einer Beerdigung oder anlässlich garnix. Einfach, weil sie da sind.

Und immer – und ich meine IMMER – tritt einer auf, der sein Frühprosawerk mit den Worten „jetzt kommt was LUSTIGES“ (was dann meist so lustig wie Fußpilz oder ein schwerer Autounfall ist) oder, was ich noch viel schlimmer finde, mit „jetzt kommt was SOZIALKRITISCHES“ ankündigt.

Während ich mich bei den Lustig-Ankündern maximal fremdschäme, haben sich meine „SOZIALKRITISCHEN“ Kollegen mittlerweile meinen leidenschaftlichen Hass verdient.

Zuerst einmal ist die Ankündigung alleine schon eine Unverschämtheit. Das hat was von „wer meinen sozialkritischen Text kritisiert, der ist selbst ja wohl asozial“ oder „wer meine Sozialkritik nicht versteht, der muss automatisch Bonze sein“. Aber nicht mit mir, Kollegen, nicht mit mir. Was sozialkritisch ist, entscheidet nämlich nicht der Schreiber, sondern der Zuhörer. Und ob er sich davon getroffen fühlt.

Der nächste Punkt ist der, dass vor allem die voller Begeisterung „sozialkritischen Textschreiber“ selbst zu 99% der Schicht aller Leute angehören, die staatlich alimentiert werden, weil sie lieber „sozialkritische Texte“ schreiben statt Arbeit zu suchen. Aber man ist sich ja zu schade, für 5,- € die Stunde zu malochen, wenn man lieber einen „sozialkritischen Text“ schreiben und sich damit selbstverständlich als Opfer gerieren kann. Für 5,- € arbeiten nämlich nur Polen und andere, die sich wenigstens noch ein bisschen Reststolz bewahrt haben. Aber für 635,- € netto rührt kein Sozialkritiker den kleinen Finger. Da lebt es sich mit Gutscheinen und Sozialhilfesatz unterm Strich wesentlich besser und lustiger.

Dann ist es immer das Gleiche. Es geht um „die da oben“ und „wir da unten“. STOPP möchte ich dann brüllen.

Ihr wollt Sozialkritik? Könnt Ihr haben: Ich bin weder „oben“ noch „unten“, habe eine 6-Tage-Woche und einen 12 Stunden Tag und kann mir deswegen auch ein wenig mehr leisten, sogar Personal, das ich für mehr als 5,- € die Stunde beschäftige. Allerdings trage ich das volle unternehmerische Risiko, habe mich mehr als der Durchschnitt engagiert und tu das immer noch. Ich glaube fest daran, dass jeder, der will, auch eine Chance bekommt, die er nutzen kann – wenn er nicht gerade alt oder krank oder beides ist. Das ist dann ein anderer Film.

Aber jeder der „sozialkritischen“ Fuzzis, der mir bisher unter die Augen getreten ist und mir dabei seine schlampig ausformulierten Texte unter die Jacke gejubelt hat, hat mir nicht den Eindruck von jemandem gemacht, der gesellschaftliche Solidarität benötigt, sondern eher den Eindruck einer faulen Sau, die eine Solidarität einfordert, die sie selbst nicht bereit ist, zu leisten. Die kriegen von mir auch nix ab. Ich gehe doch nicht arbeiten, um irgendeinen faulen Strick zu alimentieren, der den eigenen Hintern nicht hochkriegt.

Und das trifft ebenfalls auf beide Seiten zu: ich gehe nämlich auch ungern für Bankerboni arbeiten, die Ihre Firma in die Scheiße reiten und zwar die Gewinne privatisieren, die Verluste aber sozialisieren. Oder auf die Welt gekommen sind, um ein leistungsloses Einkommen zu ziehen. Ob das nun HartzIV ist oder eine Aktiendividende aus dem vererbten Kapital ist, ist dabei unerheblich.

Na, können Sie mich noch leiden? Egal. Ich bin mir bewusst, dass es Ausbeutung gibt, aber ich lasse mich gerne von Staat, Reichen, Armen und Dummen ausbeuten, so lange für mich noch genug übrig bleibt. Da habe ich kein Problem mit.

Ungerecht? Ja klar. Das Leben IST nun einmal ungerecht. Ich finde es ungerecht, dass meine Frau essen kann, was sie will, ohne auch nur ein Gramm zuzulegen und mich alleine schon der Blick ins Schokoladenregal des Supermarktes der Adipositas entgegentreibt. Es ist auch ungerecht, dass es Leute gibt, die mit weniger Arbeitsaufwand mehr verdienen als ich. Oder mehr Sex haben.

Ich denke da mal an meinen Rechtsanwalt. Alleine das Klingeln in seiner Kanzlei kostet mich 300 Steine. Da hat der mich noch nicht einmal gegrüßt. Aber ich kenn den Typen halt auch schon seit 30 Jahren. Der hat halt in der Schule ein paar Mal weniger als ich aus dem Fenster geguckt und daher ein klasse Abi geschrieben. Mit dieser Bürde muss ich nun einmal leben.

Wenn mir das nicht passt, dann kann ich ja künftig eben den Blick aufs Schokoladenregal lassen und meine Anwaltsbriefe selbst ausformulieren.

Was ich damit sagen will: jeder hat sein Leben und sein Schicksal selbst in der Hand. Sich in die „sozialkritische“ Opferrolle zu flüchten, mag zwar Balsam für das eigene Versagen und eine gute Entschuldigung für Faulheit sein – es bringt bloß niemanden weiter oder nach vorne. Oder wenigstens dahin, wo er eigentlich gerne wäre.

Ich habe NOCH NIE gesehen, dass nach einer „sozialkritischen“ Lesung irgendeiner aufgestanden ist und gesagt hat „ich schäme mich, dass ich reich bin und werde morgen die Gehälter meiner Angestellten verdoppeln“. Stattdessen saßen die anderen Armen drum herum und haben zustimmend mit dem Kopf genickt. Und? Was hat das jetzt geändert? Goarnix. Es gab nicht mehr Geld, die Gesellschaft hat sich auch nicht geändert, das war einfach nur heiße Luft für die Feierabendrevolution. Ja danke. Wenns wenigstens handwerklich gut gemacht wäre. Aber sogar dazu sind sie zu faul, die „Sozialkritiker“.

Also, liebe Kollegen: weniger Sozialkritik schreiben, dafür bessere Texte schreiben und die verlegen lassen. Den Arsch hochbringen. Und wenn das mit dem Schreiben nicht klappt – tja, dann ist das eben einfach nicht Euer Film. Dann seht wenigstens zu, einer geregelten Arbeit nachzugehen, damit die WIRKLICH BEDÜFTIGEN in diesem Staat auch von Euch unterstützt werden.

Ich habe fertig.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen