Gut,
dass meine Frau den Doppelschirm für zwei Personen mit echtem
Perlmut-Griff bestellt hat, so kann ich den in die Ecke stellen, weil
ich sowieso nicht ´rausgehe. Stattdessen ist vorhin die
Cheerleaderin eingetroffen, die meine Frau netterweise für das
heutige Spiel bestellt hat., mit schwarz-rot-güldenen Pompons. Sie
hat auch so Anfeuerungssprüche drauf wie „Mit Jogi Löw und Miro
Klose geht die EM nicht in die Hose, wer wird Meister, ist doch klaa,
Deutschland-Allemania“ oder auch „wir haben Lahm und Ihr habt
Robben, drum werden wir Euch Deppen stoppen“, nicht so gut fand ich
allerdings „Das war wohl ein Griff ins Klo, im Sturm spielt Gomez
Mario“.
Als
Vorgruppe des heutigen Spiels simulieren die Portugiesen mit den
Dänen so etwas wie ein Fussballspiel. Die Dänen haben einen Sieg,
die Portugiesen eine Niderlage auf dem Buckel. Dies bedeutet, dass
wenn die Portugiesen heute unentschieden spielen, dann müssten die
Dänen im letzten Spiel verlieren, damit die Holländer gegen die
Portugiesen gewinnen, sofern sie heute verlieren. Wenn aber die Dänen
durchsetzen, dass die Regel „drei Ecken gibt einen Elfer“ ab
heute, 20.45 Uhr gilt, dann würde das bedeuten, dass Deutschland
wenigstens im Elfmeterschiessen nach Verlängerung nicht Lukas
Podolski an den Ball lassen darf, weil der schlechter Elfer
verwandeln kann, als Robben, wobei er eigentlich alles nur schlechter
als Robben kann und ich mich frage, was Jogi Löw geritten hat,
diesen Ruhrpottparaolympioniken ausgerechnet nach Polen mitzunehmen,
vielleicht hofft er ja, die behalten ihn da – aber jetzt bin ich
abgeschweift in die Fussballarithmetik, entschuldigung.
In
jedem Fall beginnen die Portugiesen so, als wären sie eine der
Fussballmannschaften, die man bei diesem Turnier auf dem Schirm haben
sollten und spielen netten und ansprechenden Fussball – oder das,
was sie dafür halten. Für die erschrockenen Nordmannen, die wie die
sprichtwörtlichen Nordmanntannen herumstehen, ist das eine böse
Überraschung und sie kassieren aus Unfähigkeit und Entsetzen nach
24 Minuten (immerhin!) das 1:0.
Für
die Dänen ist das jetzt eine Aufforderung. Leider hören sie diese
nicht und die Portugiesen machen gut gelaunt nur 12 Minuten später
das 2:0.
Den
Portugiesen reicht das. Den Dänen reicht es jetzt. Während man sich
in Portugiesien schon mit Häppchen und Käseigeln geistig auf die
Halbzeit einstellt, macht irgendein Däne, keiner weiss wie, den
Anschlusstreffer und es geht mit einem charmanten 2:1 in die Pause.
In
der Halbzeit gibt der portugiesische Trainer die Parole „GEWONNEN“
aus und die Portugiesen ziehen sich infolgedessen selbstzufrieden in
die eigene Hälfte zurück und selbst wenn sie auf Konter lauern
sollten, so sieht man das nicht. Das ist jetzt etwas bräsig aus,
Ronaldo nimmt eine warme Mahlzeit zu sich und die armen Dänen
zappeln sich einen weg. Höhnisch vergeben die Portugiesen, wenn sie
schon gelegentlich vors dänische Tor kommen, Großchancen en gros.
Bis
zur 80sten Minute: da mogelt sich der kleine Däne Bendtner in einem
unbeobachteten Moment zwischen ein paar portugiesische Abwehrspieler
(das sind zu diesem Zeitpunkt 10 Mann) und locht zum Ausgleich ein.
Alles
wieder offen.
Schade.
Für die Portugiesen. Die ja schon gewonnen hatten. Jetzt rennen
plötzlich beide Mannschaften wie die Gestörten, bis der
portugiesische Trainer die ´nauze voll hat und einen No Name namens
Varela einwechselt. Und weil der noch frisch ist, ist er auch
ungestört und macht 7 Minuten nach dem Dänentor das 3:2. Das ist
ungerecht, das ist Pech und das ist ärgerlich für die Dänen. Die
Portugiesen holen am tragischen Schluss 3 Punkte.
Und
Olli kahn kritisiert in der Spielpause Ronaldo, weil nicht der
getroffen hat, die Flasche.
Danach
das Kracher-Spiel des heutigen Abends: Geheimtipp Holland gegen
Offizielltipp Deutschland, ein Fussballleckerbissen, ein ewiges
Duell, eine ewige Rivalität, Orange gegen Schwarz/weiß, das ist
Völler gegen Rijkjard (oder wie der Idiot geschrieben wurde), das
ist WM 1974 und das ist – nun ja – etwas krampfig.
Gomez,
die alte Flasche, die viel geweint hat wegen Frau Scholl, spielt von
Anfang an das was, was er kann, nämlich gut aussehen und beide
Mannschaften beginnen nervöser als ein Selbstmordattentäter, der in
Badehose ein Schwimmbad sprengen will. Löw vertreibt sich die Zeit
mit Kaugummi-Kauen und Balljungen ärgern, weil sich auf dem Platz
nichts tut. Klar, ist ja auch Gomez im Sturm und Podolski auf dem
Platz.
Das
ändert sich in der 24sten Minute. Robben hatte soeben den dritten
Ballkontakt und scheint, Gewohnheit ist Gewohnheit, Schweinsteiger
den Ball zugepasst zu haben, der schiesst einfach mal drauf los,
trifft den unglücklichen Gomez und der macht das 1:0. Tooooooor.
Erste Silvesterraketen steigen auf, in der Ferne ist ein himmlischer
Chor zu hören und mein Nachbar dreht das „Halleluja“ von Händel
(nicht „Hendl“, wie fälschlicherweise oft geschrieben wird) bis
zum Anschlag auf. Gomez, der Suoertyp, Gomez der Held, Gomez
Fussballgott. Im ARD-Studio wird Scholl mit vereinter Kraft daran
gehindert, sich die Pulsadern aufzuschneiden.
Aber
damit nicht genug!
Plötzlich
sieht es tatsächlich so aus, als wollten unsere Jungs das Spiel
gewinnen und die erstaunten Niederländer sehen plötzlich Deutsche
im Vorwärtsgang und schneller als Schrittgeschwindigkeit. Um das zu
verhindern, werfen sie gelegentlich ein paar deutsche Spieler um,
aber während 50% der Deutschen noch am Boden liegen, haben sie
vergessen, Schweinsteiger und Gomez umzuwerfen und ausgerechnet die
beiden machen in trauter Zweisamkeit das 2:0. Gomez, der
Fussballgott, der Held der Helden, der Franz Beckenbauer der
Nationalmannschaft, der Mann mit dem Fuße Gottes locht zum zweiten
Mal ein. Klose beginnt, sein Trikot zu fressen, Mehmet Scholl wird
erwischt, wie er sich an einem Balken im Studio zu erhängen versucht
und aus der orangenen Resignation wird Verzweiflung. Ich habe ja
immer an Gomez geglaubt. Immer!
Alleine:
die Holländer haben es heute eher rustikal als spielerisch. Aus Zorn
wird gefoult, was die Beine hergeben, getreten wie auf der
Kneipp-Kur, nur Torschüsse – die sind rar. Die deutsche
Verteidigung ist besser als die Heeresgruppe Kurland ´45 und die
Holländer laufen sich ein- ums andere Mal fest.
So
ein Lullenfussball schlaucht mit der Zeit. Und so versinken Jogis
Jungs gegen Ende der Partie in einer kleinen Lethargie, was der
Holländer Van Persie dreckig ausnutzt und 17 Minuten vor Schluss den
Anschlusstreffer erzielt. Mit einem bösen Grantenschuss aus der
Distanz.
Jetzt
wird es noch einmal eng. Die Deutschen (außer Podolski, an dem die
Partie mal wieder vorbeiläuft, irgendwie habe ich das Gefühl, die
schneiden den da) rennen in Richtung holländisches Tor, jetzt nicht
noch den Ausgleich fangen. Und so werden es noch sehr lange 17
Minuten, bis es mal wieder heißt: am Ende gewinnt Deutschland.
Oliver
Kahn wird Kathrin Müller-Dingens nach dem Spiel fragen, was Gomez so
weit hinten macht, er soll sich gefälligst in der Spitze aufhalten
und redet damit das direkte Gegenteil von Scholl, der sich
beschwerte, dass sich Gomez zu wenig um Aushilfe in der Abwehr
bemüht. So viel zum Thema „Experten“.
Prügeln wir also ab jetzt auf Podolski ein, die alte Flasche.
Schalten Sie auch morgen wieder ein, wenn Mehmet Scholl sagt „die Impulse müssen aus dem Mittelfeld kommen“.