Mittwoch, 17. Mai 2017

Essen für den Weltfrieden

Da hänge ich gerade gemütlich in der Mittagspause herum, als mich die beste aller Frauen anwhatsappt, ob ich mit Ihr „Mittag machen“ will. Und weil ich mich ja sehr freue, wenn sie Zeit hat und weil ich mit ihr lieber Mittag als Babys mache, antworte ich mit „ja“. Und keine fünf Minuten später steht sie vor mir und fragt mich, wohin ich möchte. „Malediven“ wäre zwar die korrekte Antwort, aber das schaffen wir nicht in 60 Minuten. Und weil Malediven nicht geht, sage ich „Malediven geht nicht, deswegen weiß ich es nicht. Wo willst Du hin?“ „Da am Eck hat ein Bioladen aufgemacht, das könnten wir mal probieren.“ Und, um es mir   schmackhaft zu machen, was bei einem Bio-Laden per se nicht einfach ist, fügt sie ein „man kann da auch draußen sitzen“ hinzu.
„Draußen sitzen“ ist gut, denn es ist ein warmer Frühlingstag, die Vögel singen, ich könnte nach dem Essen rauchen und außerdem ist die Aussicht auf den Parkplatz vom Aldi während des Essens einfach idyllisch. Vielleicht würden wir ja sogar einen Parkrempler sehen. Außerdem soll ich ja nicht alt und dafür offen sein und beim Edeka würde ich sowieso nur ein ungesundes Leberkäsbrötchen essen und mir eine Cola-Aspartam ´reinziehen. Warum also nicht einmal im gesunden Bio-Laden essen?

Die korrekte Antwort lautet: Weil Bio-Läden Feindesland sind. Wie die Unterwäscheabteilung von Hunkemöller. Oder der Bike-Shop. Oder ein Orion-Laden. Ich scheue aus innerer Überzeugung vor allem zurück, was auch nur im Entferntesten etwas mit Pornographie oder „Nachhaltigkeit“ zu tun hat. Für mich hat beides etwa exhibitionistisches. Eine Art „schaut her, wie ekelhaft tolerant und weltoffen ich bin“. Bin ich ja eigentlich nicht. Also tolerant und weltoffen. Ekelhaft schon. Eigentlich würde ich nämlich jetzt gerne und lieber zu McDonalds. Aber dann wird morgen auf der Waage wieder viel geweint und ich will doch zeigen, wie tolerant und weltoffen ich bin. Ich habe eine Tarnung aufrecht zu erhalten.

Und so finden wir uns keine fünf Minuten später vor der Mittagstheke vom Bioladen wieder. Die Auswahl ist riesig: Es gibt Karotten-Spinat-Quiche (ohne Gluten), Kichererbsen-Mais-Stückchen (ohne Gene), Dinkel-AloeVera-Hörnchen (ohne Allergene), Petersilie-Knoblauch-Dressing (ohne Salat), Avocado-Gries-Falafelbällchen (ohne Spaß) und eine etwas vertrocknet wirkende Bioladenbäckerin (ohne Nüsse und gute Laune).

Es gibt nur nicht etwas, was mir irgendwie im Entferntesten schmecken könnte. Die komplette Auswahl kling nach dem übrig gebliebenen Buffett einer vorzeitig und zu Recht verlassenen Wahlparty der Grünen. Eigentlich fehlt mir nur noch ein Transparent über der Theke, auf dem in großen Lettern „Ja, das Zeug schmeckt scheiße, aber dafür rettet Ihr die Wale und den Regenwald“ steht. Da ich aber nicht gedenke, meinen ökologischen Fußabdruck durch Verhungern der Erde zu entziehen, entscheide ich mich für eine Rhabarber-Ingwer-Nudelholz-Bretzel mit mehrfach gesegnetem Meersalz aus dem Baikal-See und einen Hafer-Weizenkleie-Ananas-Donut. Dazu als Getränk eine biologische Limonade aus natürlichem Mineralwasser in der Geschmacksverirrung Mango-Holunder-Gurke. Für mein gutes-Gewissen-Essen lege ich schlanke zwölf Euronen auf den Tisch des Reformhauses und suche mir ein schattiges Plätzchen (ohne künstliche Aromen) in der Sonne.

Meine Traumfrau hat sich irgendetwas grünschimmelig Gefärbtes aus Teig gekauft, einmal ´reingebissen, angewidert geguckt und mich dann gefragt, ob ich probieren will. Will ich nicht. Sie hat es bestellt, sie soll es zur Strafe ganz alleine essen. Ich helfe ihr nicht! So leicht kommt sie mir nicht davon.

Die besinnliche Zeit vor dem ersten Bissen erlaubt es mir, das biologische Publikum in Augenschein zu nehmen. Jetzt, um die Mittagszeit sind das zwei schlanke Herren im reifen Alter, die so Kasperfahrradanzüge tragen und sich nicht die Mühe gemacht haben, die halben Walnüsschen, die sie als Helm tragen, zum Essen abzunehmen sowie mehrere Damen zwischen 55 und 65 mit „nie-wieder-Sex“-Kurzhaarschnitten, die biologisch einwandfreie und abbaubare silberne Farben haben. Die tragen Kleidung, die selbst KiK peinlich wäre und haben kein Gramm Fett zu viel. Und auch keinen Mann. Typ „emanzipierte Lehrerin für Englisch und Sport“. Genau der Typ Frau, der „meine Pussy gehört mir“ ruft und dem ich als Mann gerne „Genau! Und Ihr dürft sie auch behalten!“ entgegenrufen möchte. Aber ich bin ja total tolerant und rufe nichts entgegen.

Sondern beiße in den Bio-Abfall vor mir.

Sagen wir es so: Ich brauche weder Wale noch Regenwälder. Es schmeckt nach – nichts. Es ist, als würde ich in eine geschmacklose Wolke beißen. Ähnlich wie bei McDonalds, nur ohne den Geschmack von Fleisch, Gurken, Senf, Brot, Salz und Pfeffer und diesem einen Scheibchen traurigen Schmelzkäses. Das Ganze ist eine puristische Offenbarung. Ein Essen, das Haltung und Lebenseinstellung ausdrückt, sofern diese geschmacklos ist. Ein Essen, das den Zweck der Nahrungsaufnahme auf genau das reduziert. Wahrer Genuss liegt nämlich im Verzicht. In der Reduzierung. Im Bewusstsein, nachhaltig gegessen zu haben. Und die Welt ein wenig besser gemacht zu haben. Mit diesem Zeug habe ich den Großkonzernen eins ausgewischt und das Finanzkapital in die Schranken gewiesen. Und aufgrund der Ballaststoffe werde ich später sogar… - aber lassen wir das.

Während die Traumfrau lustlos und geistesabwesend an ihrer biologisch abbaubaren Nahrungssimulation herumbeißt, versuche ich, das Zeug einem streunenden Hund anzudrehen, dessen Herrchen soeben 100,- € in Dosenpfand in den Aldi geschleppt hat, aber der Hund dreht sich angeekelt weg. Er ist Besseres gewohnt. Ich auch.

So bleibt mir nichts Anderes übrig, als das Schaumgummizeug irgendwie mit dem seltsamen Getränk nach unten zu würgen, denn wegwerfen kann ich es nicht, weil dann hungernde afrikanische Kinder böse auf mich sind und die in Griechenland angestrandeten Schutzsuchenden froh wären, wenn sie auf Nichts herumbeißen könnten und ich gelobe, nie mehr über Asiaten zu lästern, die Hunde, Wale oder rohen Fisch verspeisen.


Sie müssen vorher im Bioladen gewesen sein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen