Da hänge ich gerade gemütlich in der Mittagspause herum, als
mich die beste aller Frauen anwhatsappt, ob ich mit Ihr „Mittag machen“ will.
Und weil ich mich ja sehr freue, wenn sie Zeit hat und weil ich mit ihr lieber
Mittag als Babys mache, antworte ich mit „ja“. Und keine fünf Minuten später
steht sie vor mir und fragt mich, wohin ich möchte. „Malediven“ wäre zwar die
korrekte Antwort, aber das schaffen wir nicht in 60 Minuten. Und weil Malediven
nicht geht, sage ich „Malediven geht nicht, deswegen weiß ich es nicht. Wo
willst Du hin?“ „Da am Eck hat ein Bioladen aufgemacht, das könnten wir mal
probieren.“ Und, um es mir schmackhaft zu machen, was bei einem Bio-Laden
per se nicht einfach ist, fügt sie ein „man kann da auch draußen sitzen“ hinzu.
„Draußen sitzen“ ist gut, denn es ist ein warmer
Frühlingstag, die Vögel singen, ich könnte nach dem Essen rauchen und außerdem
ist die Aussicht auf den Parkplatz vom Aldi während des Essens einfach
idyllisch. Vielleicht würden wir ja sogar einen Parkrempler sehen. Außerdem
soll ich ja nicht alt und dafür offen sein und beim Edeka würde ich sowieso nur
ein ungesundes Leberkäsbrötchen essen und mir eine Cola-Aspartam ´reinziehen.
Warum also nicht einmal im gesunden Bio-Laden essen?
Die korrekte Antwort lautet: Weil Bio-Läden Feindesland
sind. Wie die Unterwäscheabteilung von Hunkemöller. Oder der Bike-Shop. Oder
ein Orion-Laden. Ich scheue aus innerer Überzeugung vor allem zurück, was auch
nur im Entferntesten etwas mit Pornographie oder „Nachhaltigkeit“ zu tun hat. Für
mich hat beides etwa exhibitionistisches. Eine Art „schaut her, wie ekelhaft
tolerant und weltoffen ich bin“. Bin ich ja eigentlich nicht. Also tolerant und
weltoffen. Ekelhaft schon. Eigentlich würde ich nämlich jetzt gerne und lieber
zu McDonalds. Aber dann wird morgen auf der Waage wieder viel geweint und ich will
doch zeigen, wie tolerant und weltoffen ich bin. Ich habe eine Tarnung aufrecht
zu erhalten.
Und so finden wir uns keine fünf Minuten später vor der
Mittagstheke vom Bioladen wieder. Die Auswahl ist riesig: Es gibt
Karotten-Spinat-Quiche (ohne Gluten), Kichererbsen-Mais-Stückchen (ohne Gene),
Dinkel-AloeVera-Hörnchen (ohne Allergene), Petersilie-Knoblauch-Dressing (ohne
Salat), Avocado-Gries-Falafelbällchen (ohne Spaß) und eine etwas vertrocknet
wirkende Bioladenbäckerin (ohne Nüsse und gute Laune).
Es gibt nur nicht etwas, was mir irgendwie im Entferntesten
schmecken könnte. Die komplette Auswahl kling nach dem übrig gebliebenen Buffett
einer vorzeitig und zu Recht verlassenen Wahlparty der Grünen. Eigentlich fehlt
mir nur noch ein Transparent über der Theke, auf dem in großen Lettern „Ja, das
Zeug schmeckt scheiße, aber dafür rettet Ihr die Wale und den Regenwald“ steht.
Da ich aber nicht gedenke, meinen ökologischen Fußabdruck durch Verhungern der
Erde zu entziehen, entscheide ich mich für eine Rhabarber-Ingwer-Nudelholz-Bretzel
mit mehrfach gesegnetem Meersalz aus dem Baikal-See und einen
Hafer-Weizenkleie-Ananas-Donut. Dazu als Getränk eine biologische Limonade aus
natürlichem Mineralwasser in der Geschmacksverirrung Mango-Holunder-Gurke. Für
mein gutes-Gewissen-Essen lege ich schlanke zwölf Euronen auf den Tisch des
Reformhauses und suche mir ein schattiges Plätzchen (ohne künstliche Aromen) in
der Sonne.
Meine Traumfrau hat sich irgendetwas grünschimmelig
Gefärbtes aus Teig gekauft, einmal ´reingebissen, angewidert geguckt und mich
dann gefragt, ob ich probieren will. Will ich nicht. Sie hat es bestellt, sie
soll es zur Strafe ganz alleine essen. Ich helfe ihr nicht! So leicht kommt sie
mir nicht davon.
Die besinnliche Zeit vor dem ersten Bissen erlaubt es mir,
das biologische Publikum in Augenschein zu nehmen. Jetzt, um die Mittagszeit
sind das zwei schlanke Herren im reifen Alter, die so Kasperfahrradanzüge
tragen und sich nicht die Mühe gemacht haben, die halben Walnüsschen, die sie
als Helm tragen, zum Essen abzunehmen sowie mehrere Damen zwischen 55 und 65
mit „nie-wieder-Sex“-Kurzhaarschnitten, die biologisch einwandfreie und
abbaubare silberne Farben haben. Die tragen Kleidung, die selbst KiK peinlich
wäre und haben kein Gramm Fett zu viel. Und auch keinen Mann. Typ „emanzipierte
Lehrerin für Englisch und Sport“. Genau der Typ Frau, der „meine Pussy gehört
mir“ ruft und dem ich als Mann gerne „Genau! Und Ihr dürft sie auch behalten!“
entgegenrufen möchte. Aber ich bin ja total tolerant und rufe nichts entgegen.
Sondern beiße in den Bio-Abfall vor mir.
Sagen wir es so: Ich brauche weder Wale noch Regenwälder. Es
schmeckt nach – nichts. Es ist, als würde ich in eine geschmacklose Wolke
beißen. Ähnlich wie bei McDonalds, nur ohne den Geschmack von Fleisch, Gurken,
Senf, Brot, Salz und Pfeffer und diesem einen Scheibchen traurigen Schmelzkäses.
Das Ganze ist eine puristische Offenbarung. Ein Essen, das Haltung und
Lebenseinstellung ausdrückt, sofern diese geschmacklos ist. Ein Essen, das den
Zweck der Nahrungsaufnahme auf genau das reduziert. Wahrer Genuss liegt nämlich
im Verzicht. In der Reduzierung. Im Bewusstsein, nachhaltig gegessen zu haben.
Und die Welt ein wenig besser gemacht zu haben. Mit diesem Zeug habe ich den
Großkonzernen eins ausgewischt und das Finanzkapital in die Schranken gewiesen.
Und aufgrund der Ballaststoffe werde ich später sogar… - aber lassen wir das.
Während die Traumfrau lustlos und geistesabwesend an ihrer
biologisch abbaubaren Nahrungssimulation herumbeißt, versuche ich, das Zeug
einem streunenden Hund anzudrehen, dessen Herrchen soeben 100,- € in Dosenpfand
in den Aldi geschleppt hat, aber der Hund dreht sich angeekelt weg. Er ist
Besseres gewohnt. Ich auch.
So bleibt mir nichts Anderes übrig, als das Schaumgummizeug
irgendwie mit dem seltsamen Getränk nach unten zu würgen, denn wegwerfen kann
ich es nicht, weil dann hungernde afrikanische Kinder böse auf mich sind und
die in Griechenland angestrandeten Schutzsuchenden froh wären, wenn sie auf
Nichts herumbeißen könnten und ich gelobe, nie mehr über Asiaten zu lästern,
die Hunde, Wale oder rohen Fisch verspeisen.
Sie müssen vorher im Bioladen gewesen sein.
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