Dienstag, 11. Januar 2011

Terminsache

Neulich war ich beim Arzt. Nichts Ernstes, nur hatte ich mich im Verdacht, an einer sehr schlimmen Nasennebenhöhlenentzündung zu leiden, weil ich am rechten unteren Backenzahn Zahnschmerzen hatte, ohne jedoch da einen Zahn zu haben. Nicht schön.

Auf jeden Fall hatte ich einen wunderbaren Kaffee getrunken und kam am Schild jener sympathischen kleinen HNO-Arztpraxis vorbei und da ich Privatpatient bin, dachte ich mir, ich gehe mal kurz da rein und kaufe mir eine gute Besserung.

Ich öffne also die Tür, grüße zünftig mit „Grüß Gott“, gehe an den Tresen, sage artig meinen Namen und bekomme als Entgegnung ein mürrisches „haben Sie einen Termin?“

Tja.

Ja, ich habe einen Termin. Mit meinem Steuerberater. Nachher. Um Fünf. Und um Sieben habe ich auch einen Termin. Zum Abendessen. Aber mit seiner Frau. Aber das weiß er nicht, der Steuerberater. Seine Frau weiß es. Und ich. Und jetzt auch die Arzthelfertussi.

„Nein“ sagt die Hals-Nasen-Ohren-Klingelfee am Empfang „ich meine, ob Sie HIER einen Termin haben.“

Habe ich natürlich nicht. Ich bin ja hier weder in einer Steuerberatungskanzlei, noch bezweifle ich, dass die Steuerberatergattin mit mir in einer Hals-Nasen-Ohren-Arztpraxis dinieren wird.

„Sie sind ja ein ganz Lustiger“ knurrt mich der Zerberus der Schädelinnereien an. „Ohne Termin kann Sie der Herr Doktor nicht empfangen.“

„Ich habe aber Schmerzen. Ziemlich schlimme Schmerzen“ erkläre ich brav.

„Aber nicht ohne Termin“ klärt mich Xanthippe auf.

„Es tut aber weh.“ „Aber nicht ohne Termin.“ „Doch, ohne Termin, ich habe die Schmerzen nicht geplant und kann mit Schmerzen weder das Finanzamt bescheißen noch anschließend meinen Steuerberater.“

„Hören Sie“ sagt das Engelchen ungeduldig „ohne Termin gibt’s keinen Termin beim Doktor. Wie kann ich es Ihnen noch sagen, dass Sie es verstehen?“

„Ich bin Privatpatient.“

„Aber ohne Termin.“

„Ich zahle mehr als die Anderen.“

„Nicht ohne Termin.“

Ich ziehe meine Trumpfkarte: „Ihr Chef hat den hippokatischen Eid geschworen, er muss mir helfen. Entgegenkommenderweise erkläre ich mich jedoch bereit, sexuelle Handlungen an mir vornehmen zu lassen, wenn er mich drannimmt. Jetzt. Gleich.“

Sie seufzt.

„Hören Sie: der Herr Doktor ist beschäftigt und kann Sie jetzt nicht drannehmen. Nicht ohne Termin. Nur, wenn Sie ein blutender Notfall wären.“

Ich greife über den Tresen, schnappe mir einen Tacker und hämmere mir eine Nadel in die linke Hand.

„Da. Jetzt blute ich. Ich bin jetzt ein blutender Notfall.“

Sie zieht ihre Schreibtischschublade auf, entnimmt dieser ein Heftpflaster mit einem „Schweinchen Dick“ – Motiv und klebt es mir auf die Wunde.

„Jetzt nicht mehr.“ triumphiert sie.

Aber nicht mit mir!

„Oh, dahinten, sehen Sie mal: Brad Pitt“ rufe ich aufgeregt und deute auf einen unbestimmten Punkt hinter ihr. Und während sie verwirrt den Kopf dreht, versuche ich, an Ihr vorbeizuwitschen, stolpere jedoch über ein paar Schuhe, die eine schlampige Hals-Nasen-Ohren-Arzt-Assistentin im Gang neben dem Tresen abgelegt habe und schlage im Fallen mit dem Gesicht in den Heizkörper, was meine Nase mit einem trockenen Knirschen quittiert.

Als ich aus der Ohnmacht erwache blicke ich in das besorgte Gesicht eines Mannes im weißen Kittel, offensichtlich Arzt.

„Doppelter Nasenbeinbruch“ sagt er. „Sie haben Glück gehabt, dass das hier passiert ist“ sagt er. „Das dauert locker 14 Tage mit absoluter Bettruhe, bis das verheilt ist“ sagt er auch.

„Das geht nicht“ stöhne ich. „Ich habe doch Termine“.

Er lächelt: „jetzt nicht mehr“.

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