Donnerstag, 21. April 2011

In 14 Tagen ist auch noch ein Tag

´s ist ja manchmal im Leben so: man startet morgens den Motor des geliebten Familienfahrzeugs und dann macht es statt „rnnnn“ einfach nur „krk“.

Nun, jeder normale Kraftfahrer weiß, dass es ein sehr ungutes Zeichen, zumal bei einem etwas betagteren Familienkutschenwagen, dessen in die Sitze eingebrannten Kekskrümel von mehreren Kindern die ursprüngliche Musterung der Polster in die surrealistische Gedankenwelt eines verrückten Innendesigners verwandelt haben, ist, wenn der Motor nur „krk“ und nicht „rrnnn“ macht. Das bedeutet, dass man, entgegen der landläufigen Meinung, eher das Auto als die Ehefrau wechseln muss.

Da ist es dann schön, wenn man ein warmes Polster bei einer freundlichen Bank hat, die lächelnd das Darlehen für ein niegelnagelneues Auto bewilligt, natürlich nicht ohne vorher drei Bankbürgschaften, den Erstgeborenen und den Verzicht auf die eigene Seele gefordert zu haben.

Ich schnappe Frau und Kinder und wir gehen „Autos gucken“. Und tatsächlich, bereits im 23sten Autohaus werden wir fündig. Meiner Frau gefällt das Heck und die Kühlerhaube, die Inneneinrichtung und das Interieur, der Preis, die Gangschaltung, das zu tankende Benzn und auch die Marke gefällt ihr. Mir gefällt, dass ich nicht noch in das 24ste Autohaus muss und hätte ihr an dieser Stelle auch einen Traktor gekauft, Hauptsache, wir bringen das endlich hinter uns. Es wird ihr Auto, also wird sie es sich sorgfältiger als ihren Ehemann aussuchen. Ist ja auch eine Wertanlage.

Mit dem Verkäufer sind wir uns schnell handelseinig und wir bekommen sogar noch zwei Fußmatten, einen Kuli und eine Tüte Bonbons dazu, unterschreiben den Kaufvertrag und können schon nächste Woche das Auto abholen, hurra.

Leider allerdings hat der Hersteller in der nächsten Woche Betriebsferien, mitten im Februar, und deswegen dauert es noch zwei Wochen länger, allerspätestens aber Anfang März.

Gut, drei Wochen kommen wir auch mit einem einzigen Auto zurecht, wir teilen uns eben die Fahrten. Als ich Anfang März anrufe, ist leider in Japan eine Springflut gewesen und ein Atomkraftwerk explodiert. Der Zulieferer, der die Komponenten für die Metalliclackierung liefert (was immer das sein soll), klaubt im Moment die Reste seiner Firma aus den Trümmern und schaut nach überlebenden Mitarbeitern, sodass das locker Mitte März wird.

Während wir uns bis Mitte März den Zweitwagen der Schwiegereltern leihen, der leider 12 Liter Super auf 100 Kilometer schluckt, wird der Verkäufer krank und niemand kann uns sagen, warum das Auto nicht da ist, aber man meldet sich in einer Woche wieder, versprochen. Nachdem sich dann 14 Tage niemand rührt und meine Bank Bereitstellungszinsen für das Darlehen kassiert, erfahre ich, dass mein Verkäufer in Urlaub gegangen ist, anscheinend hat er seine Provision schon bekommen, aber er ist in zwei Wochen ja wieder da und kann dann gucken, was mit meinem Auto ist.

Mitte April ist mein Verkäufer, der Herr lobe und preise seinen Namen, endlich wieder von den Seychellen zurück und hat gleich nach seiner Ankunft, quasi noch am Gepäckwarteband des Flughafens, beim Hersteller angerufen und gefragt, wo mein Auto bleibe und er hat gute Nachrichten für mich: das Auto ist bereits in Behindmoonhome in den USA vom Band gerollt. Allerspätestens - also ALLERSPÄTESTENS – wird es Anfang Mai VERSCHIFFT.

Auf meine Nachfrage, warum es bis zur verdammten Verschiffung 14 Tage dauert, erfahre ich, dass in Deutschland die Lokführer streiken, weswegen Ersatzpersonal aus den USA eingesetzt werden muss, was wiederum bedeutet, dass es auf den Strecken in Amerika zu Verzögerungen kommt. Man könne zwar auch mit dem Auto zum Hafen fahren, aber ich wolle sicher keinen Gebrauchtwagen mit 2000 Kilometern auf dem Buckel kaufen und es sind ja auch nur 14 Tage und danach dauert es noch 7 Tage und *schwupps* schon ist das Auto bei mir. Außerdem könnten wir wirklich froh sein, schließlich haben in Japan die Metalliclackierungkomponentenhersteller Heim und Hof verloren und ich muss nur ein paar blöde Tage länger warten, bis mein blödes Auto kommt. Das muss man auch mal in der Relation sehen.

Mitte Mai erhalte ich auf Nachfrage die Auskunft, dass ausgerechnet das Schiff mit meinem Auto im Roten Meer von Piraten gekapert wurde. Ich traue mich nicht nachzufragen, wie besoffen ein Kapitän ist, der von New York nach Hamburg den Weg um komplett Afrika nimmt, um in den Suez-Kanal zu kommen. Immerhin geht es mir besser als den japanischen Komponentenklebern.

Anfang Juni, der Sprit und die Bereitstellungszinsen haben mittlerweile einen zweistelligen Prozentsatz des ursprünglichen Kaufpreises erreicht, ENDLICH die erlösende Nachricht. Mein Auto steht in Hamburg am Hafen. Ich solle mir schon mal die Zulassungsnummer von der Versicherung geben lassen, in ALLERSPÄTESTENS einer Woche isser da, der neue Familienfreund.

Und er wäre auch Mitte Juni dagewesen, wenn der Zoll nicht ausgerechnet mein Auto für eine Radioaktivitätsstichprobe ausgewählt hätte. Aber bereits nach einer Woche gibt der Zoll für mein Auto Entwarnung: die Strahlenbelastung ist unterhalb jener Grenzwerte, die man bei täglich 8-Stunden im Röntgenapparat abgreift. Leider steht mein Auto aber jetzt bei der Polizei, weil sie während der Strahlenmessung Heroin in der Verkleidung des Beifahrersitzes gefunden haben. Aber das dauert MAXIMAL 14 Tage, dann ist alles klar.

Gut, kann man nix machen und außerdem jobbt ja meine Frau jetzt auch an der Tanke, damit wir die Benzinkosten und die Bereitstellungszinsen reinkriegen.

Mitte Juli ruft mich mein Händler mit freudigem Jubel an. Der Wagen ist wieder freigegeben und die Lackschäden von der Messung sind auch behoben, sie bauen jetzt endlich das Navigationssystem ein. Auf meine, sicher im Ton etwas unangemessene Nachfrage, warum das VERDAMMTE Navigationssystem nicht schon im Amiland eingebaut wurde, erklärt mir mein Autoverkäufer ruhig, aber bestimmt, dass die Komponentenjapaner nebst Komponentenjapanerfamilien im Moment in Zelten hausen und man das in der Relation sehen müsse.

Mitte August – meine Frau schiebt statt einer Schicht nun Doppelschichten an der Tanke und prostituiert sich gelegentlich – kommt die erlösende Nachricht: das Auto ist da. Beim Händler. Auf dem Hof. Kann besichtigt werden. Während im Hintergrund des Telefonats meine Kinder schon Luftballons zur Feier des Tages steigen lassen wollen, erfahre ich von einem klitzekleinen Schönheitsfehler: der Fahrzeugbrief ist verschwunden. Weg. Fort. Niemand weiß, wo der Fahrzeugbrief ist. Aber, so beruhigt mich mein AutoARSCHLOCH, das ist normalerweise kein Problem. Das Fahrzeug muss nur einfach beim TÜV vorgefahren werden, die schreiben dann einen neuen Brief aus. Er wird da Druck machen, dann ist das ratz-fatz in 14 Tagen über die Bühne.

Ende September erfahre ich, dass mein Fahrzeug nicht beim örtlichen TÜV, sondern beim TÜV in Hamburg vorgefahren werden musste und die haben da bemerkt, dass der Rußpartikelfilter fehlt, deswegen könne das noch etwas dauern. Als ich die Worte „14“ und „Tage“ in den Hörer tropfen lasse, erklärt mir mein Autoverkäufer, dass das aber die ALLERLÄNGSTE Frist wäre.

Inzwischen ist es Dezember, mein Erstfahrzeug habe ich verkauft, weil wir es uns nicht mehr leisten können, als Ersatz gab es Fahrräder und ich habe schon 15 Kilo abgenommen. Teile unseres Hauses haben wir mittlerweile vermietet, um das Darlehen bedienen zu können.

Alle 14 Tage telefoniere ich mit meinem Autoverkäufer, einfach nur interessehalber, um mal zu hören, wo sich mein Auto momentan befindet. Wir haben auf einer Weltkarte die Stationen des Autos markiert und eine wilde Zickzacklinie herausbekommen.

Wir fahren Fahrrad und mein Auto schaut sich die Welt an. So muss das sein. Aber er kommt. In 14 Tagen!

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