Dienstag, 12. Juni 2012

Tag 5: Noch ist Polen nicht ganz verloren. Aber fast!

Ich bin wirklich überrascht, was man in Home-shopping-Kanälen bestellen kann. Zum Beispiel kam heute ein Gartengrill an, in dem ich mich später mal selbst kremieren kann, eine Hitler-Puppe mit Echthaar aus Taiwan, dann haben wir anscheinend einen Urlaub im aserbeidschanischen Hinterland gebucht (Mithilfe bei der Ernte fakultativ, nicht obligatorisch) und wo ich den Kampfhubschrauber russischer Baurt hinstelle, weiss ich auch noch nicht. Aber wenigstens ist mein blöder Nachbar neidisch.

Hansi Flick hat Sprechverbot. Heute soll er beim Frühstück gesagt haben, die Deutschen müssten die Holländer mit bedingungslosem Gehorsam und fanatischem Willen angreifen und deren Strafraum besetzen, Gott sei auf der Seite der stärkeren Sturmspitzen. So etwas darf man aber nicht sagen. Das ist fast so schlimm, wie Gomez das Wundliegen ersparen zu wollen. Fast.

Heute Abend ja im ersten Spiel ein absoluter Fussballleckerbissen in der Todeslangweilergruppe A: der nachwievor geheime Geheimtipp Griechenland gegen den noch streng geheimeren Geheimtipp Tschechien, die wirklich etwas reissen können, wenn sie gegen Mannschaften wie Luxemburg oder Vatikanstaat spielen. Von den Russkis haben sie aber eine auf den Sack gekriegt, dürften also dementsprechend motiviert sein.

Und das sind die Tschechen auch. Nach 3 Minuten, die Griechen griechen noch auf ihre Positionen, rauscht es zum ersten Mal im griechischen Tor. Und während die Griechen noch mit dem Schiri diskutieren, warum sie das jetzt irgendwie nicht so gut finden, zappelt der Ball schon wieder im griechischen Fischernetz.

Das ist doof. Für die Griechen. Und das Spiel.

Denn die Tschechen beschliessen jetzt, ihre Mitarbeit an der EM2012 einzustellen und stellen sich nur noch nach hinten und zeigen hervorragendes Stellungsspiel. Die Herren aus Hellas müssen nun plötzlich arbeiten und sie rackern auch, aber eben genau so, wie sie „rackern“ verstehen, deswegen kommt bis zur Halbzeit auch nichts zusammen.

In der Pause ruft Frau Lagarde den scechischen Torwart Tschech in der Kabine auf dem Handy an und bittet um Gnade für die armen Griechen, die ja außer Fussball nichts mehr haben. Peter mit der Zipfelmütze tut ihr den kleinen Gefallen und lässt nach der Pause beim Fangen mal einen Ball für einen griechischen Stürmer durch, der vor Schreck den Ball zum Anschlusstreffer verwandelt.

In Griechenland keimt Hoffnung auf, das kennen sie von ihrer Staatskrise. Und ebenso hier wie da wird diese Hoffnung enttäuscht werden. Die Griechen wollen zwar, können aber nicht, die Tschechen könnten, wollen aber nicht mehr. Die Hellenen zeigen zauberhaften Kombinationsfussball, sie kombinieren nämlich, dass hohe Bälle in den Rücken der griechischen Abwehr noch zum Ausgleich führen, leider vergessen sie dabei, da irgendwo auch Stürmer zu platzieren und so bleibt es bei einem sicher berechtigten, aber irgendwie langweiligen und unspektakulären 2:1 für den größeren der beiden Fussballzwerge. Die Hellenen können schon mal Koffer packen. Sie waren aber auch, das muss man fairerweise sagen, in der Slawengruppe ein echter Exot.

Der eigentliche Kracher folgt aber erst danach: Geheimtipp Polen gegen Geheimtipp Russland. Ein Leckerbissen für Fussballfans, wenigstens, wenn man auf bäuerliche Hausmannskost steht. Die Ausgangslage jedenfalls ist klar: 11 hässliche Polen spielen gegen 11 hässliche Russen.

Polen gegen Russland, das ist immer Kampf, das ist immer Leidenschaft, das ist immer Herzblut, das ist immer ganz große Kacke.

Die Polen machen mit den Russen zu Spielanfang das, was sie auch in der EU machen: sie stören früh. Nur leider sind die russischen Spieler in einem Alter, in dem man sich von Jüngeren eben nicht mehr unbedingt stören lässt und so werden die Russkis erst dann etwas aktiver, als die Polen mangels spielerischer Qualitäten den Ex-Sowjets die Gehhilfen wegtreten. Zu allem Überfluss hat die UEFA einen feinen Sinn für Ironie beweisen, als sie ausgerechnet einen deutschen Schiedsrichter das Spiel pfeifen lässt, der sich somit den Hass des kompletten ehemaligen Warschauer Paktes zuzieht und man darf auf geharnischte diplomatische Noten gefasst sein, sollte einer der beiden Mannschaften ein fälliger Elfer verweigert werden.

Wie auch immer, die Russen spielen heute spöttisch und mit angezogener Handbremse, was gegen die erschreckend schwachen Polskis immer noch zu einem 1:0 nach einer Standardsituation reicht.

In der Pause jedenfalls scheint der polnische Träner seinen Schützlingen erklärt zu haben, dass es irgendwie nett wäre, wenn sie bei einer EM im eigenen Land wenigstens die Vorrunde überstehen würden und außerdem die Fans wüssten, wo ihre Häuser stehen, denn nachdem die Toten und Schwerverletzten beider Seiten von den Rängen entfernt wurden, kommen unsere slawischen Nachbarn mit neuem Effet auf den Platz, der im Moment noch den Namen „Platz der Schande“ trägt.

Die Russen haben das jedenfalls unterschätzt oder sie wollen einfach nur nett sein: während St. Petersburg eine Großchance nach der anderen verdaddelt und abgibt, wo Direktschuss notwendig wäre und direkt schiesst, wo eine Abgabe sinnvoll gewesen wäre, machen die Polski irgendwie und mit einem ausnahmsweise schönen Tor den Ausgleich. Danach wird es etwas dramatisch, weil sich beide Mannschaften gegenseitig von den Beinen holen und gelegentlich auch einen Knäuel bilden und nur dem beherzten Eingreifen des deutschen Unparteiischen (kicher) ist es zu verdanken, dass kein Notarztwagen aufs Feld muss.

Es bleibt beim 1:1 und beide Mannschaften haben noch gute Chancen, in die nächste Runde zu kommen, weil wohl niemand mit klarem Verstand damit rechnet, dass ausgerechnet die Griechen die Russen schlagen und noch Hoffnung besteht, dass die Tschechen gegen die Polen wie gegen die Russen spielen.

Eine persönliche Anmerkung: sollte ich jemals Diktator von Deutschland werden, werde ich Waldi Hartmann und Matze Knob zwingen, sich „Waldis EM-Club“ 7 Tage in Endlosschleife anzusehen.

Schalten Sie also auch morgen wieder ein und hören Sie Mehmet Scholl sagen „es ist nicht die Aufgabe eines Verteidigers, Tore zu machen“.

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