Mir waren
neulich die Zigaretten ausgegangen und da dachte ich mir „Och Thilo“, dachte
ich mir, „och Thilo, geh doch mal in den Lottoladen um die Ecke und hol Dir Zigaretten“.
Und das habe
ich dann auch gemacht. Vor mir stand ein älterer Herr in etwas fadenscheiniger
Kleidung, den ich hier schon öfter gesehen hatte und verlangte einen
Lottoschein, weil es irgendwie diese Woche 10 Trillionen Euro zu gewinnen gäbe
und da könne man auch schon mal ein paar Euro riskieren. Und weil ich ja selbst
auch beruflich mit Aktien zu tun habe, fand ich in diesem Fall das
Risiko-Gewinnverhältnis recht akzeptabel und habe mir auch einen Lottoschein geschnappt,
weil ich mit 20 Trillionen Euro auch sehr gut leben und mir ganz Griechenland
kaufen könnte. Inklusive der Einwohner. Und der Schafe. Das fände ich cool.
Mein Problem
dabei: auf so einem Schein stehen ja 49 Zahlen drauf, von denen ich aber nur
sechs nehmen darf. Und ich wusste leider nicht, welche Zahlen richtig sind und
da hätte ich raten müssen. Allerdings sind mir als erwachsenem Menschen mit
Lebenserfahrung Probleme mit sechs Unbekannten nicht unbekannt, schließlich war
ich schon auf mehreren Stehpartys, bei denen auch Alkohol getrunken wurde.
Ich habe also
das gemacht, was ich bei ähnlichen Problemen schon in der Schule gemacht habe
und mich neben den älteren Herrn an das Stehpult gestellt und versucht, bei ihm
abzuschreiben.
Zuerst hat er
nur irritiert geschaut, dann seinen Schein mit der linken Hand abgedeckt. „Entschuldigung“
sagte ich „aber ich sehe so nichts“. „Sollen Sie ja auch nicht, das sind meine
Zahlen“ hat er geantwortet, was ich unfair fand. „Ja, aber ich weiß doch die
richtigen Zahlen nicht, wie soll ich denn da gewinnen, wenn Sie mich nicht
abschreiben lassen?“ „Ja, glauben Sie, ich weiß die?“ hat er zurückgefaucht.
„Hören Sie:
ich sehe Sie hier ziemlich oft mit Lottoscheinen hantieren, was erstens
bedeutet, dass Sie sich auskennen und Erfahrung haben und zweitens die Hoffnung
noch nicht verloren haben“ – „und drittens noch nie den Jackpot gewonnen habe
oder warum, glauben Sie, stehe ich hier immer noch herum?“ hat er meine Aufzählung
ergänzt.
Da war was
dran, andererseits… „Nachdem Sie doch Dauerspieler sind und noch nie was
gewonnen haben, steigt doch die statistische Wahrscheinlichkeit mit jedem neuen
Schein, dass Fortuna mit Ihnen ein Einsehen hat und Ihnen den Hauptgewinn
gönnt. Daher ist es nur logisch, dass ich Ihre Zahlen verwende!“
„Ja, dann
kaufen Sie sich doch selbst 20 Jahre Lottoscheine, dann haben Sie die gleiche Erfahrung“
gab er zurück. „Guter Mann: in meinem Beruf bin ich es gewohnt, von den
Besseren zu lernen. Sie sind für mich der Lottomeister und ich fände es toll,
wenn Sie mich von Ihrem Erfahrungsschatz profitieren lassen würden. Ich habe keine
Lust, 20 Jahre lang Lotto zu spielen, wenn Sie dies schon getan haben. Das wäre
Verschwendung von finanziellen und ökonomischen Ressourcen.“
Er sah mich
einen Augenblick lang fassungslos an, dann grinste er sardonisch: „Erfahrung
kostet Geld. Für 200,- € lasse ich Sie abschreiben“ sagte er. Gut, das
ökonomische Prinzip hatte er anscheinend vom Grunde her verstanden. Wir konnten
also verhandeln: „200,- €? Das ist dann doch etwas happig und macht pro Zahl
33,- Euronen. Welche Garantie habe ich auf den Gewinn?“ „Nur meine Erfahrung
und die statistische Wahrscheinlichkeit.“ „Haben Sie die Zahlen letzte Woche
schon gespielt?“ „Ja“ „Und Sie glauben, diese Woche klappt es, weil es letzte
Woche nicht geklappt hat?“ „Ich hoffe es.“ Gut, Hoffnung für 200,- € konnte ich
auch in der Kirche haben. So kamen wir also nicht weiter.
„Ich habe
eine bessere Idee: ich zahle die Hälfte Ihres Lottoscheines und Sie geben mir
die Hälfte vom Gewinn, so als kleinen Anreiz für uns beide“ schlug ich vor.
„Nein“ hat er
gesagt.
„Warum nicht?“
„Weil ich
dann teilen muss, und das mache ich ungern.“
Das war zwar
menschlich verständlich, aber ökonomischer Unfug. „Sehen Sie“ sage ich „deswegen
lässt Sie Fortuna hängen. Weil Sie ein Egoist sind. Fortuna gibt Ihnen nichts,
weil Sie nicht teilen wollen.“
„Wollen Sie
denn gerne teilen?“ „Schon, wenn es ein fairer Deal ist.“ „Dann machen wir
jetzt Folgendes:“ schlug er vor „ich fülle meinen Schein wie immer aus und Sie
nehmen Ihren eigenen Schein und tragen da Ihre Zahlen ein und wenn einer von
uns beiden gewinnt, dann teilt er die Hälfte mit dem Anderen.“
Damit war ich
einverstanden. Wir haben das auf der Rückseite eines Lottoscheines schriftlich
fixiert und dann habe ich irgendwelche Zahlen angekreuzt und „Erster“ gesagt.
„Und? Welche
Zahlen haben Sie genommen?“ „Eins bis Sechs.“ „Das sind blöde Zahlen.“ „Warum?“
„Weil die in dieser Reihenfolge noch nie gekommen sind.“ „Na, dann wird’s doch
Zeit. Ihre Zahlen sind ja auch noch nie gekommen. Die statistische Trefferquote
ist bei Ihren Zahlen genauso hoch wie bei meinem Tipp.“ „Nein, sind sie nicht.“
„Warum nicht?“ „Weil… weil das EBEN SO IST.“ Jetzt war er trotzig. „Sie meinen,
meine Zahlen kommen nicht dran?“ „Ja.“ „Sicher?“ „So sicher, wie ich hier stehe.“
„Und Sie lassen mich nicht abschreiben?“ „Nein.“ „Sicher?“ „Ja“.
Ich habe dann
meinen Zettel zerrissen und auch den mit der Tippvereinbarung. Wer meine Zahlen
nicht mag, der mag auch mich nicht und den mag ich auch nicht. Ich habe dann
für einen Euro so ein Los gekauft und sofort 20,- Euro gewonnen.
„Sehen Sie?
Ich hätte geteilt, deswegen hat mir Fortuna 19,- Steine geschenkt“ habe ich ihm
gesagt. Er hat darauf „erstick dran“ gesagt und so haben sich unsere Wege
getrennt.
Das Ganze ist
jetzt ca 8 Wochen her und ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen. Allerdings
wurde der Jackpot an diesem Wochenende geknackt. Ich wüsste jetzt doch zu gerne…
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