Donnerstag, 2. Mai 2013

Ein schlimmes Los


Mir waren neulich die Zigaretten ausgegangen und da dachte ich mir „Och Thilo“, dachte ich mir, „och Thilo, geh doch mal in den Lottoladen um die Ecke und hol Dir Zigaretten“.
Und das habe ich dann auch gemacht. Vor mir stand ein älterer Herr in etwas fadenscheiniger Kleidung, den ich hier schon öfter gesehen hatte und verlangte einen Lottoschein, weil es irgendwie diese Woche 10 Trillionen Euro zu gewinnen gäbe und da könne man auch schon mal ein paar Euro riskieren. Und weil ich ja selbst auch beruflich mit Aktien zu tun habe, fand ich in diesem Fall das Risiko-Gewinnverhältnis recht akzeptabel und habe mir auch einen Lottoschein geschnappt, weil ich mit 20 Trillionen Euro auch sehr gut leben und mir ganz Griechenland kaufen könnte. Inklusive der Einwohner. Und der Schafe. Das fände ich cool.

Mein Problem dabei: auf so einem Schein stehen ja 49 Zahlen drauf, von denen ich aber nur sechs nehmen darf. Und ich wusste leider nicht, welche Zahlen richtig sind und da hätte ich raten müssen. Allerdings sind mir als erwachsenem Menschen mit Lebenserfahrung Probleme mit sechs Unbekannten nicht unbekannt, schließlich war ich schon auf mehreren Stehpartys, bei denen auch Alkohol getrunken wurde.
Ich habe also das gemacht, was ich bei ähnlichen Problemen schon in der Schule gemacht habe und mich neben den älteren Herrn an das Stehpult gestellt und versucht, bei ihm abzuschreiben.

Zuerst hat er nur irritiert geschaut, dann seinen Schein mit der linken Hand abgedeckt. „Entschuldigung“ sagte ich „aber ich sehe so nichts“. „Sollen Sie ja auch nicht, das sind meine Zahlen“ hat er geantwortet, was ich unfair fand. „Ja, aber ich weiß doch die richtigen Zahlen nicht, wie soll ich denn da gewinnen, wenn Sie mich nicht abschreiben lassen?“ „Ja, glauben Sie, ich weiß die?“ hat er zurückgefaucht.
„Hören Sie: ich sehe Sie hier ziemlich oft mit Lottoscheinen hantieren, was erstens bedeutet, dass Sie sich auskennen und Erfahrung haben und zweitens die Hoffnung noch nicht verloren haben“ – „und drittens noch nie den Jackpot gewonnen habe oder warum, glauben Sie, stehe ich hier immer noch herum?“ hat er meine Aufzählung ergänzt.

Da war was dran, andererseits… „Nachdem Sie doch Dauerspieler sind und noch nie was gewonnen haben, steigt doch die statistische Wahrscheinlichkeit mit jedem neuen Schein, dass Fortuna mit Ihnen ein Einsehen hat und Ihnen den Hauptgewinn gönnt. Daher ist es nur logisch, dass ich Ihre Zahlen verwende!“
„Ja, dann kaufen Sie sich doch selbst 20 Jahre Lottoscheine, dann haben Sie die gleiche Erfahrung“ gab er zurück. „Guter Mann: in meinem Beruf bin ich es gewohnt, von den Besseren zu lernen. Sie sind für mich der Lottomeister und ich fände es toll, wenn Sie mich von Ihrem Erfahrungsschatz profitieren lassen würden. Ich habe keine Lust, 20 Jahre lang Lotto zu spielen, wenn Sie dies schon getan haben. Das wäre Verschwendung von finanziellen und ökonomischen Ressourcen.“

Er sah mich einen Augenblick lang fassungslos an, dann grinste er sardonisch: „Erfahrung kostet Geld. Für 200,- € lasse ich Sie abschreiben“ sagte er. Gut, das ökonomische Prinzip hatte er anscheinend vom Grunde her verstanden. Wir konnten also verhandeln: „200,- €? Das ist dann doch etwas happig und macht pro Zahl 33,- Euronen. Welche Garantie habe ich auf den Gewinn?“ „Nur meine Erfahrung und die statistische Wahrscheinlichkeit.“ „Haben Sie die Zahlen letzte Woche schon gespielt?“ „Ja“ „Und Sie glauben, diese Woche klappt es, weil es letzte Woche nicht geklappt hat?“ „Ich hoffe es.“ Gut, Hoffnung für 200,- € konnte ich auch in der Kirche haben. So kamen wir also nicht weiter.
„Ich habe eine bessere Idee: ich zahle die Hälfte Ihres Lottoscheines und Sie geben mir die Hälfte vom Gewinn, so als kleinen Anreiz für uns beide“ schlug ich vor.

„Nein“ hat er gesagt.
„Warum nicht?“

„Weil ich dann teilen muss, und das mache ich ungern.“
Das war zwar menschlich verständlich, aber ökonomischer Unfug. „Sehen Sie“ sage ich „deswegen lässt Sie Fortuna hängen. Weil Sie ein Egoist sind. Fortuna gibt Ihnen nichts, weil Sie nicht teilen wollen.“

„Wollen Sie denn gerne teilen?“ „Schon, wenn es ein fairer Deal ist.“ „Dann machen wir jetzt Folgendes:“ schlug er vor „ich fülle meinen Schein wie immer aus und Sie nehmen Ihren eigenen Schein und tragen da Ihre Zahlen ein und wenn einer von uns beiden gewinnt, dann teilt er die Hälfte mit dem Anderen.“
Damit war ich einverstanden. Wir haben das auf der Rückseite eines Lottoscheines schriftlich fixiert und dann habe ich irgendwelche Zahlen angekreuzt und „Erster“ gesagt.

„Und? Welche Zahlen haben Sie genommen?“ „Eins bis Sechs.“ „Das sind blöde Zahlen.“ „Warum?“ „Weil die in dieser Reihenfolge noch nie gekommen sind.“ „Na, dann wird’s doch Zeit. Ihre Zahlen sind ja auch noch nie gekommen. Die statistische Trefferquote ist bei Ihren Zahlen genauso hoch wie bei meinem Tipp.“ „Nein, sind sie nicht.“ „Warum nicht?“ „Weil… weil das EBEN SO IST.“ Jetzt war er trotzig. „Sie meinen, meine Zahlen kommen nicht dran?“ „Ja.“ „Sicher?“ „So sicher, wie ich hier stehe.“ „Und Sie lassen mich nicht abschreiben?“ „Nein.“ „Sicher?“ „Ja“.
Ich habe dann meinen Zettel zerrissen und auch den mit der Tippvereinbarung. Wer meine Zahlen nicht mag, der mag auch mich nicht und den mag ich auch nicht. Ich habe dann für einen Euro so ein Los gekauft und sofort 20,- Euro gewonnen.

„Sehen Sie? Ich hätte geteilt, deswegen hat mir Fortuna 19,- Steine geschenkt“ habe ich ihm gesagt. Er hat darauf „erstick dran“ gesagt und so haben sich unsere Wege getrennt.
Das Ganze ist jetzt ca 8 Wochen her und ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen. Allerdings wurde der Jackpot an diesem Wochenende geknackt. Ich wüsste jetzt doch zu gerne…

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