Im Leben eines jedes Mannes der deutschen Mittelschicht
kommt irgendwann der Zeitpunkt, in dem ihn ein bis dahin jedenfalls guter
Freund beiseite nimmt und sagt „wir müssen jetzt ins Fitnessstudio, um fit zu
werden, der Midlife-Crisis entgegenzuarbeiten, den Body zu stählen, um mit den
jungen Hüpfers mithalten zu können und überhaupt“.
Das Problem dabei – ich habe dazu keine Lust. Nicht das
geringste Verlangen, mich zum Löffel zu machen und zwischen kleinen
Muskelmännchen mit Tattoos und HartzIV-Bezug und top-gestählten Mit-Dreißigerinnen
mit reichen Ehemännern und Kindermädchen meine Wampe auszupacken und keuchend
auf einem Laufband herumzulatschen. Wenn ich das möchte, dann trage ich meiner
betagten Mutter einen Kasten Wasser in den vierten Stock, das sollte als
sportliche Betätigung genügen.
Aber: nach zwei Nierensteinen und bei etwa zwanzig Kilo
fettem Übergewicht und der stets unangenehm sorgenvoll gerunzelten Stirne
meines Hausarztes habe ich mich breitschlagen lassen, mich mit Peter bei einem
Fitnesstempel anzumelden, auf dass ich wieder erotische Zonen statt
unerotischer Krisengebiete erhalte. Mein Widerstand war gebrochen und außerdem rechnen
wir das Ganze über das Firmenkonto ab. Wie immer das der Steuerberater
hinzaubern mag.
So hat mich Peter also ziehend und drückend zum Eingang von „Fitness-Last“
oder wie der Schuppen heißt, hingeschleppt und wir haben dann den Aufzug in den
ersten Stock genommen, weil wir ja erst zum nächsten Monatsersten beginnen
wollen und man soll es am Anfang ja auch nicht übertreiben.
Drinnen im Tempel der isotonischen Durstlöscher und keuchenden
Arschlöcher sitzt Mario im Trainingsanzug. Gut sieht er aus. Blond. Schöner
Body, soweit ich das als Heterosexueller beurteilen kann. Solariumgebräunt. Wie
frisch aus dem Fitness-Ei gepellt. Und ich denke mir: Hoffentlich muss ich
später mal nicht so aussehen.
Super-Mario bittet uns herein, er trägt einen
Waschbrettbauch und zwei Klemmbretter. Die gibt er uns, die müssen wir
ausfüllen, wir wüssten ja schließlich selbst, wie wir heißen, hihi. Er ist auch
sofort mit uns per Du, was ich persönlich in etwa so gerne habe wie ein
Furunkel zwischen Hoden und Oberschenkel, aber das scheint bei den jungen und
hippen Fitnesshüpfdohlen eben so üblich zu sein. Ab sofort sind wir alle eine
große und glückliche Familie von fitten und gesunden Sportlern. Mens sana in
corpore uno oder so. Und während wir brav unsere Namen aufmalen, erklärt uns das
Mario die Tarife.
Es gibt den Basis-Tarif für 5,- € im Monat, da dürfen wir
kostenlos die Treppe in den ersten Stock benutzen. Wenn wir noch
Zwoeurofuffzich drauflegen, dann führt uns unser Weg direkt in die Sitzecke und
wir haben kostenlosen Zugang zum Herrenklo. Meiner Ansicht nach würde dieser
Tarif bereits völlig ausreichen, aber Peter will eigentlich noch mehr
Leistungen haben… Und ich dachte, er wäre mein Freund…
Es gibt da das Komfort-Paket für schmale 15,- €, da kommt
dann zur Klobenutzung noch die Erlaubnis, in den Räumen herumzulaufen und den
anderen beim Schwitzen zuzusehen, gelegentlich kann man auch selbst ein
Laufband benutzen, wenn man eines mitbringt.
Ich würde gerne flüchten, aber Peter hat mich derart
eingekeilt, dass ich ihn töten müsste, um wegzukommen. Was ich kurz erwäge. Und
blöderweise verwerfe.
Peter ist kein Freund von halben Sachen und geht aufs Ganze:
was kostet das Komplettpaket und was ist darin enthalten? Mario freut sich, das
sieht nach einem guten Geschäft aus: Bei einer Vertragsdauer von zehn Jahren
und der schriftlichen Zusicherung, die teuren Geräte nicht zu benutzen,
erhalten wir für läppische neunundneunzig Euronen und die Seelen unserer
Erstgeborenen freien Zugang zu allen
Sportgeräten inklusive einer Fettrüttelplatte (was bei mir sehr niedlich
aussehen wird), die sich „Bauer-Blöd“ oder so nennt, dürfen sämtliche
Wasserhähne KOSTENLOS benutzen und Leitungswasser trinken, soviel wir wollen,
wir bekommen ferner eine kleine Trinkflasche mit Luft drin, ein Plastikarmbändchen,
auf dem unsere individuellen Namen stehen und das wir an Spinde halten können,
ohne dass etwas passiert, einen ebenfalls schwer individuellen Trainingsplan,
vom Azubi persönlich aus dem Internet abgeschrieben, das Versprechen, sich nicht an den
Trainingsplan halten zu müssen, ferner können wir das Solarium, das Kolloquium,
das Aquarium und das Terrarium jederzeit anschauen oder zum Fenster ´rausgucken
und außerdem dürfen wir die Stellplätze des Studios kostenlos nutzen, wenn wir
noch zwanzig Euro drauflegen. Im Gegenzug geben wir das Gelöbnis ab, nicht
irgendwelchen geheimnisvollen Krankheiten zu haben und den Tempel der
Übergewichtigen und Unterbelichteten nicht zu verklagen, falls wir uns den
Brustkorb mit einer Hantelstange zerdrücken oder vom Laufband in die lachende
Zuschauermenge geschleudert werden.
Wir haben dann für uns als kleines Benefit die Berechtigung
herausgehandelt, uns die Filme aus der Überwachungskamera der Frauen-Umkleide auf
Youtube ansehen zu dürfen und uns so mit Super-Mario geeinigt.
Am nächsten Ersten geht es los. Eine individuelle
Fitnesstrainerauszubildende wird uns dann unseren individuellen
Fitnessauszubildendentrainingsplan vorstellen und ich Depp muss dann in den
ersten Stock laufen, obwohl ein Aufzug vorhanden ist, bei dem sich der
Architekt sicher auch etwas dachte.
Ich werde weiter berichten.
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