Mein
Kaff verändert sich rapide. An den Fahnenmasten wachsen plötzlich
deutsche Flaggen und ich habe das gefühl, Angela Merkl wird mein
Nest bald besuchen. Die ganz Harten mit dem Monatsvorrat Bitburger
erkennt man an wenigstens 4 Fähnchen auf dem SUV und wer keinen
Fahnenmast hat, der hängt sich die Fahne eben aus dem Dachfenster.
Es ist
nicht so, dass ich mich nicht auch auf das erste Spiel „unserer“
Mannschaft von Opportunisten freue, aber diesen klebrigen
Patriotismus finde ich aufdringlicher als eine CSU-Veranstaltung in
einem Bierzelt. Vielleicht schließe ich mich der örtlichen
Dorfguerilla an und flagge mit holländischen Fähnchen...
Die
langweiligste Mannschaft der Welt
Im
ersten Match treffen der Geheimfavorit Uruguay auf den
Geheimfavoriten Costa Rica, der so geheim ist, dass ihn nicht einmal
die Costa-Ricanischen Spieler kennen.
Uruguay
hat irgendwann, als Mussolini noch Staatschef von Italien war, mal
die Weltmeisterschaft gewonnen und dann nochmal, als Adenauer Kanzler
war, also so lange schon her, dass man sich fragt, warum die
überhaupt Geheimtipp sind. Immerhin aber wurden sie gelegentlich mal
Vierter und das scheint dann schon als Eintrittskarte in die Welt der
„Großen“ zu reichen. Costa-Rica hat schon mal ein- oder zwei
Spiele fast gewonnen. Das ist die Ausgangslage.
Am
Anfang läuft alles erwartungsgemäß: Die „Urus“ machen nach
einigem hin und her ihr Tor und stellen dann die Mitarbeit ein. Sie
hängen in der eigenen Hälfte herum und versuchen, irgendwie die
Zeit totzuschlagen. Ständig fliegt der Ball zum Gegenspieler, ins
Aus, ins Publikum, halt irgendwohin, solange er nur nicht das eigene
Tor trifft. So kann man auch über die Zeit kommen. Glauben die Urus.
Insgesamt verbringen beide Mannschaften mehr Zeit neben als auf dem
Platz. Ich bin zwischendurch eingeschlafen.
Costa-Rica
hingegen verweigert sich dieser Anti-Haltung und kommt folgerichtig
nach der Pause zuerst zum Ausgleich, dann zum Führungstreffer und
während sich die Uruguayer erstaunt die Augen reiben, dass sie
anscheinend verlieren, setzen die Kicker aus dem Zwergstaat in
Mittelamerika noch einen drauf und gewinnen 3:1, was zumindest für
Costa-Rica eine kleine Sensation ist. Aber Uruguay hat sich die
Niederlage auch ehrlich verdient, die überschätzen Langweiler.
Rasenschach
gegen Unfähigkeit
Die
zweite Partie des Abends sieht den offiziellen Geheimtipp Italien
gegen den anderen offiziellen Geheimtipp England. Beide Mannschaften
sind schon öfte böse aufeinandergetroffen, die Italiener haben
immer gewonnen – zumindest aber seit 1945.
Es
beginnt wie erwartet. Zuerst einmal fallen die Italiener wie üblich
reihenweise um, wenn ein Engländer an ihnen vorbeiläuft. Die
wiederum geben sich ordentlich und redlich Mühe, das seit 2000
Jahren bekannte italienische „Carnaccio“ (was nichts anderes
bedeutet, als hinten zu stehen, wahlweise den Gegner umzutreten oder
sich selbst fallen zu lassen) zu knacken und erspielen sich ein- ums
andere Mal gar nicht so schlechte Chancen, leiden aber immer noch
unter der Krankheit, Tore nicht treffen zu können.
Die
Italiener spielen derweil Rasenschach und kommen so in der 35sten
Minute zum ersten Torschuss, der auch prompt reingeht und auch noch –
surprise surprise – gegeben wird.
In
dieser Situation sind die Blauen tatsächlich auch ein einziges Mal
unorganisiert und prompt mogelt sich Sturridge nach vorne in den
italienischen Schlafraum und gleicht aus.
Die
Italiener bleiben sicher und entspannt. So etwas kann vorkommen. Auch
in der Folge bieten sie das, was im Fachjargon „Leckerbissen für
Taktikfans“ genannt wird, was bedeutet, dass sie sich den Ball zu
schieben und behäbig bleiben. Keine Dribblings, keine Soli, simples
und gefahrloses Querpassspiel und es bleibt ein italienisches
Geheimnis, warum sich Balotelli, der Muskulöse, selbst so feiert,
zumal er eigentlich völlig abgemeldet ist.
Und
während sich die Italiener so entnervend aufreizend in Richtung
englischen Strafraum bewegen, um sich dort fallen zu lassen,
schläfern sie die Engländer ein, Balotelli kommt irgendwie zum
Schuss und die Italiener führen wieder. Mit der zweiten Torchance.
Ich
gebe zu – diese erschreckende Effizienz muss den Italienern erst
einmal jemand nachmachen. Während die Engländer, die gegen Italien
zum plötzlichen Sympathieträger (ähnlich wie Holland gegen
Spanien) mutieren, eine Großchance nach der anderen vergeben,
beschränken sich die Italiener auf kräftesparendes und an des
Gegners Nerven zehrenden Ballgeschiebe und gelegentliches Rochieren.
Gut,
gegen eine noch relativ junge und unerfahrene Mannschaft wie England
genügt das heute und das Spiel endet zwar ungerecht, aber effizient
mit 2:1 für Italien, die grinsend vom Platz gehen, während die
Engländer das tun, was sie die letzten 90 Minuten getan haben: Wayne
Rooney suchen.
War
was?
Nachts
um drei haben die Elfenbeiner die Japaner mit 2:1 besiegt, aber da
habe ich geschlafen. Der Rest der Welt zu Recht auch.
Geht es nicht weiter? Mir fehlt die Lektüre ....
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