Neulich habe ich beim Wechseln der Mülltüte gemerkt, dass
der Siphon unter der Spüle, an dem auch die Waschmaschine irgendwie hängt,
also, dass der feucht ist. Da hing so ein Tropfen dran. Und es hatte sich im
Unterschrank eine kleine Pfütze gebildet. Nichts Dramatisches. Aber so etwas
muss man ja im Auge behalten, sonst hast Du irgendwann nachts einen Rohrbruch
und das Wasser quillt unten aus der Küchentüre raus und hebt das Parkett. Oder
so. Selbst, wenn es nur das Wasser aus dem Siphon ist. Man kann da nicht
vorsichtig genug sein.
Jetzt gibt es ja Männer, die machen so etwas selbst.
Rohrzange aus der Garage pflücken und Bastelspaß haben. Zu diesen Männern
gehöre ich nicht. Ich kann lediglich einen kaputten Siphon als solchen
identifizieren, das war es dann. Also suchte ich mir via Google einen Klempner
in der Nähe heraus, rief an und bat seine Frau, ob Ihr Mann sich das mal
anzusehen könne und wir vereinbarten einen Termin. Und was nach dem Tausch
eines kaputten Siphons aussah, entwickelte sich zu einer Grundsatzdiskussion.
Herr Krapulski ist ziemlich pünktlich und ich freue mich und
biete ihm einen Kaffee an, den er dankend annimmt. Dann will er wissen, wo der
Siphon ist und ich gebe ihm brav die gewünschte Auskunft und räume den
Mülleimer und die Putzmittel aus dem Unterschrank. Herr Kapulski setzt seinen
Werkzeugkasten ab, meint, das sei „keine große Sache“ und taucht unter die
Spüle. Und ich sage den Satz: „Schön, dass es so schnell geklappt hat. Ihre
Frau war wirklich total nett am Telefon“.
Das Schnauben unter der Spüle kommt zu einem Ende und Herr
Krapulski steckt den Kopf hinter der Unterschrank-Tür hervor. „Das ist nicht
meine Frau“, sagt er. „Das ist meine
Schwester“, sagt er. „Ich bin nämlich schwul“, sagt er auch. Und ich sage:
„Oh“. Was soll ich auch sonst sagen? „Ja „OH“!“, giftet er zurück: „Warum
glauben die Leute immer, Schwule gäbe es nur beim Fernsehen?“
Hm.
Das ist eine ziemlich gute Frage, auf die ich ad hoc keine
Antwort weiß. Aber Herr Krapulski weiß sie. „Ihr Leute seid alle voller Vorurteile.
Ihr denkt immer nur an die Tunten und Tucken in ihren Fummeln. Dass ein ganz
normaler Mensch auch schwul sein kann, das kommt Euch gar nicht in den Sinn!“
Ich gebe innerlich zu, dass mir wirklich noch nie in den Sinn gekommen ist,
dass es auch schwule Heizung-, Gas- Wasser-Installateure geben könnte.
Schlicht, weil es mir egal ist. Ich habe einen kaputten Siphon, den ich gerne
repariert hätte. „Stimmt“, sage ich.
„Daran habe ich wirklich noch nie gedacht!“ „Sehen Sie““, gibt er leicht
triumphierend zurück „…und deswegen ist es so wichtig, dass wir für unsere
Rechte auf die Straße gehen.“ Das mag ja sein, aber mir wäre es lieber, er
ginge statt auf die Straße wieder unter die Spüle und repariert den schwulen
Siphon.
„Ja, das ist wichtig““, echoe ich zurück. „Es tut mir
leid.“, hänge ich hintendran. Herr Krapulski ist großzügig: „Das muss es nicht,
ich erlebe das jeden Tag.“ Ja, das ist tragisch, dass er das jeden Tag erlebt.
Dass sich niemand dafür interessiert, ob er einen schwulen Heizung-, Gas- Wasser-Installateur
vor sich hat. „Es geht nur darum, dass wir mehr Normalität im Umgang
miteinander bekommen!“, doziert Herr Krapulski weiter. „Ja, Normalität!“, gebe
ich wieder zurück und würde mich sehr gerne jetzt verziehen, damit er
unbelästigt den Siphon reparieren kann, aber Herr Krapulski ist jetzt in seinem
Element. „Wissen Sie“, erzählt er weiter, „wir haben jetzt zwar die „Ehe für
alle“, aber bis zur absoluten Gleichberechtigung ist es noch ein weiter Weg.
Deswegen oute ich mich da auch gerne, weil mir das einfach wichtig ist!“
Das mag ja sein, aber mir persönlich wäre jetzt eigentlich
mein Siphon wichtiger als seine Gleichberechtigung und ich habe ihn ja auch
nicht ungleichberechtigt behandelt. Ich habe bei Google auch nicht
„heterosexuelle Klempner in meiner Umgebung“ eingegeben, zumal ich dann auch
die nächsten Wochen mit sehr seltsamen algorithmischen Angeboten hätte rechnen
müssen und ich habe aus Gleichberechtigungsgründen auch nicht „homosexuelle
Klempner“ oder „Trans-Klempner“ eingegeben. Ich habe wirklich nur jemanden
gesucht, der einen Siphon reparieren kann. Meinetwegen könnte das auch eine
hermaphrodite Transgender-Lesbe mit Hang zu klassischer Literatur und
italienischen Rotweinen sein, die da unter der Spüle liegt, mir geht es nur um den
Siphon. Ich bin da völlig vorurteilsfrei.
„Ich bin da völlig vorurteilsfrei.“, sage ich deshalb. „Wenn
dem so wäre, dann hätten sie meine Schwester nicht für meine Frau gehalten!“,
hält er mir den schmutzigen Vorurteilsspiegel vor die Nase und mir platzt der
Hemdkragen: „Hören Sie, ich hatte eine Frau am Telefon, die sich mit
„Krapulski“ gemeldet hat, was mich nicht wunderte, weil ich bei der Firma
Krapulski angerufen habe, also ging ich davon aus, dass es sich bei Ihnen um
einen Familienbetrieb handelt und die Wahrscheinlichkeit, dass sich in unserer
zu 92,6% heterosexuellen Gesellschaft (http://www.queer.de/detail.php?article_id=27318)
eine Ehefrau statt einer Schwester
meldet, war demnach ziemlich hoch. Also machen Sie kein Drama draus und
reparieren Sie bitte den Siphon!“
Herr Krapulski schüttelt den Kopf. „Das geht nicht“, sagt
er, „mir fehlt ein Ersatzteil. Ich habe nicht den passenden Bogen.“ „Sehen Sie?“,
rufe ich aufgeregt, „so geht es mir! Ich bestelle einen Installateur und dann
fehlt ihm der passende Bogen und dass ich auch schwul sein könnte, auf die Idee
kommt er auch nicht!“ Herr Krapulski ist etwas verunsichert. „Sind Sie denn
schwul?“, fragt er. „Nein!“ gebe ich zurück, „aber ich könnte es sein! Daran
haben Sie nämlich jetzt auch nicht gedacht! Selber Vorurteile haben, aber sie
anderen unterstellen wollen!“ Herr Krapulski schüttelt den Kopf. „Wollen Sie
nun den Siphon repariert haben oder nicht?“, fragt er. „Will ich! Deswegen sind
Sie ja da. Und ich zahle pro Stunde am Siphon, nicht pro Stunde an der
Gesellschaft!“, gebe ich zurück.
„Dann gehe ich jetzt los und hole einen Bogen.“, sagt er.
Und dann ging er. Und ich habe ihn nie wieder gesehen. Und
auch nie eine Rechnung von ihm erhalten. Den Siphon hat später ein
heterosexueller Bekannter repariert, ganz ohne gesellschaftliche Diskussion. Er
hat mir dabei von seiner Ehe erzählt. Das war auch in Ordnung. Und hat mich
ebenso wenig interessiert. Aber mein Siphon funktioniert jetzt wieder.