Dienstag, 17. Dezember 2013

Weihnachtspost

Weihnacht ist´s wieder im Lande und eine gewisse Art von Organisationen scheint dem Glauben zu unterliegen, dass mit dem vorweihnachtlichen Öffnen der Herzen der Menschen sich gleichzeitig auch der Geldbeutel öffnen sollte. Wir tun Gutes, reden darüber und wollen Dein Geld dafür. 

In meiner Post finde ich jetzt vorweihnachtliche, leicht surreal-kubistisch-naiv-expressionistisch-impressionistische Kunstkarten, die mit viel Phantasie irgendein klassisches Weihnachtsmotiv darstellen sollen und der Grund, warum die Bilder so scheußlich aussehen, ist der, weil der Künstler sie mit dem Mund, dem Fuß oder anderen Körperteilen gemalt hat, die ich lieber nicht kennenlernen möchte. Schlimmstenfalls mit der Hand. Dafür aber hat mit die „Kunstwerkstatt alles außer Handarbeit“ auch einen Zahlschein mit beigelegt, mit dem ich bedauernswerte Künstler unterstützen kann – was ich aber nicht mache, da ich diese Art der Verbreitung von Kunst grundsätzlich ablehne. 

Auf dem Briefumschlag drunter gucken mich – ooooooohhhhh – süße Hundewelpen vorwurfsvoll an. „Wuffi“, die Organisation für ausgesetzte Köter in Afghanistan, bittet um meine Spenden für kriegsversehrte Afghanen (die Hunde, nicht die Menschen), die in Kabul umherstreunen und leider von der hungernden Bevölkerung gefressen werden, wenn ich nicht subito mit dem beiliegenden Zahlschein spende und das kann ich nicht wirklich wollen. Erst Krieg anzetteln und sich dann nicht um die Afghanen kümmern. Will ich aber doch! 

Gleich daneben bittet mich der grüne Halbmond für die Flutopfer in Kommantanturi in Nepalappland zu spenden, weil es die bei dem letzten Regenguss echt übel erwischt hat. Eine bunte Collage von zerstörten Häusern (in einem glaube ich das Reichluftfahrtministerium in Berlin erkennen zu können, ein anderes sieht wie die alte Innenstadt von Nürnberg 1945 aus) und zahnlos grinsenden Unbekannten mit Plastikeimern an Brunnen zeigt mir, dass es da zwar immer noch übel aussieht, aber schon vorwärts geht. Von meiner Spende in nicht unerheblicher Höhe will der grüne Halbmond Zelte, Heringe (nicht die Fische, sondern wegen der Zelte) und Klappstühle kaufen. Offen bleibt, ob er die den Nepalappländern dann schenkt oder weiterverhökert. Nix gibt´s. 

Als Nächstes bekomme ich Post von der FDP, die auf jeden Fall im Moment jede Spende gebrauchen kann, aber mehr als meine ideelle Unterstützung kann ich hier nicht bieten. Ich nehme mir aber vor, sie in meine Gebete einzuschließen. 

Wem auch vom Leben übel mitgespielt wurde und wird, das sind die Herpeskranken. An Herpes sterben pro Jahr, man möchte es nicht glauben, fast ebenso viele Menschen wie an Blepharokonjunktivitis, was mich zwar ad hoc etwas in Alarmzustand versetzt und schon den Spendenüberweisungsträger ausfüllen lässt, sich aber nach einem kurzen Blick in Wikipedia dann doch als harmlose Augenentzündung herausstellt. Tatsächlich sterben ebenso viele Menschen an Herpes wie an Blephalodingsbums – nämlich 0. Also doch nicht so schlimm und die Herpeskranken sollen eben mit dem Knutschen aufhören und sich waschen. Gute Güte. 

Außerdem muss das Kirchendach renoviert werden. Der örtliche Pfarrer hat mich angeschrieben. Gerade zur Weihnachtszeit wäre es doch schön, wenn Josef, Maria und das Jesuskind nicht schon wieder in einen dreckigen Stall mit einem maroden Dach einziehen müssten und er würde mir auch ein herzliches „Vergelt´s Gott“ ausrichten und ich könne übrigens auf dem Weihnachtsmarkt auch Plätzchen kaufen und Glühwein trinken, wenn und sofern ich mich nur vom Kirchendach fernhalte. Darunter ist auch ein Bild von unserer Kirche hier, allerdings ist es die von den Evangelischen und die Protestanten unterstütze ich erst recht nicht. Lieber spende ich für einen taoistischen Tempel, aber wir haben keine Taoisten im Sprengel. Pech für beide. 

Meine KFZ-Versicherung bei der „Typ, der mit einem Ritterschild herumlaufen muss“-Versicherung hätte, sofern ich nächstes Jahr noch Autofahren möchte, gerne einen Betrag in nicht unerheblicher Höhe, der sogar noch höher als letztes Jahr, denn obgleich ich brav war und nichts kaputt gemacht habe, haben sich die anderen Kunden der Ritterschildversicherung, die zum größten Teil aus Beamten und Rentnern und schlimmstenfalls beidem bestehen, als erstaunlich fahrunfähig und ungeschickt erwiesen, weswegen die Ritterschildversicherung jetzt den Preis für alle nach oben katapultiert. 

Der letzte Brief ist sehr unweihnachtlich gelb, dafür aber auf Umweltpapier gedruckt. Traurige Finanzbeamte sehen mich vor meinem geistigen Auge an und erwarten meine Spende. Schon seit Monaten. Und jetzt kommt zu meiner Pflichtspende auch noch ein fetter Pflichtspendensäumniszuschlag. Falls ich mich immer noch weigere, zu spenden, drohen sie, mich einzubuchten, die traurigen Finanzbeamten. 

Kost, Post- und Logis frei? Urlaub auf Steuerzahlers Kosten? Über Weihnachten? Verdammt – wir sind im Gespräch!

Montag, 21. Oktober 2013

Welchen Teil von Nein haben Sie nicht verstanden?

Eigentlich müsste ich es ja langsam wissen: Geh nicht an eine externe Berliner oder Hamburger Nummer,  es sei denn, Du wohnst in Berlin oder Hamburg. Aber weil ich ein optimistischer und freundlicher, vor allem aber neugieriger Mensch bin, bin ich an die Hamburger Nummer trotzdem drangegangen.

Ja hallo, Frau Susanne Berger von der  Firma Ship and Sail Containerdienst in Hamburg (sie spricht es „Hämborg“ aus) fragt an, ob wir als Finanzdienstleister auch Schiffscontainer vertreiben, wobei ich grundsätzlich schon einen Container vertreiben würde, stünde er bei mir unaufgefordert in der Einfahrt, da ich aber ansonsten nichts von Schiffscontainern als Geldverbrennungsmaschine halte, sage ich zu Frau Berger: nein.

Oh, das wäre aber schade, weilweilweil gerade ich als Finanzdienstleister doch wissen müsse, dass gerade Container in Zeiten dieses unsicheren Marktes Renditen von über 300% erreichen, ganz speziell solche, die an die tunesische Küstenmarine verchartert würden, und zwar aufgrund der großen Nachfrage durch Asylbewerber, die sich darin nach Europa schmuggeln lassen wollen, also das gehört doch eigentlich auf jeden Fall in mein Angebotsportfolio, gell?

Ich antworte, dass ich grundsätzlich keine Produkte anbiete, die ich nicht einmal selbst wenigstens  ansatzweise verstehe und erst recht keine Schiffs-Container, auch, wenn die Sales-Story immer so nett klingt.
Das versteht Susanne Berger natürlich und das wäre ja auch richtig so, genau aus diesem Grunde sollte ich ja sehr dringend das Haus des Ship, Sail and Rail-Containerdienstes in Hamburg kennenlernen, denn die wären aber sowas von ganz anders aufgestellt, zumal sie mit ihrem Premium-Produkt der strahlenisolierten Castor-Container gerade im Raum der soeben zusammengebrochenen Sowjetunion äußerst lukrative Geschäfte mit örtlichen Mafiabossen machen würden, aber hallo, da wären Renditen von 300% keine Seltenheit!
Ich entgegne, dass ich meinen Kunden keine Schiffscontainer anbieten werde, auch keine strahlenisolierten.

Susanne Berger versteht das sehr gut und findet das auch lobenswert, genau deshalb sollte ich mir mal den Ship-Sail-Rail & Fail Containerdienst in Hamburg genau ansehen, denn deren Produkt des Müllraumschiffscontainers für die internationale Orbitalstation Glasnost, die Aserbeidschan nächstes Jahr ins All schießen möchte, würde genau auf mein Klientel passen und rein zufällig wäre Herr Seber (was passender Weise verdammt ähnlich nach „Seebär“ klingt) nächste Woche hier in Unterfranken und da könnte er mich ja mal, wenn ich das unbedingt wollte.
Und ich sage, dass ich weder Zeit noch Interesse habe, weder an dem Herrn Seber, noch an den Altkleiderschiffscontainern.

Susanne Berger kann das gut verstehen, ich würde ja schließlich als Geschäftsmann nur Zeit und Geld in ein wirklich lukratives Produkt und Angebot investieren, weswegen Sie ja anruft und ob es mir am Montag um 15.00 Uhr oder besser am Sonntag um 23.00 Uhr passen würde.
Ich erkläre, dass es mir niemals passen würde, nicht heute, nicht morgen, nicht, wenn die Sonne explodiert und die Hölle zufriert, Sigmar Gabriel Kanzler wird und der Messias kommt. Ich will Herrn Seber nicht sehen, keinesfalls, unter gar keinen Umständen, selbst, wenn er auf einer Wolke mit sexuell attraktiven Mittzwanzigerinnen geritten kommt!
Susanne Berger kann das gut verstehen, schließlich wolle ich als Geschäftsmann und Premium-Vertriebspartner nicht jeden X-beliebigen Verkäufer empfangen, weswegen sie mich zu meinem sehr vernünftigen Entschluss beglückwünscht, Herrn Seber am Montag um 15.00 Uhr zu empfangen, er tränke seinen Kaffee gerne mit Milch und etwas Gebäck und würde mich dann eingehender über das äußerst attraktive Produktangebot des Ship-, Sail-,  Rail-, Fail und Nail-Containerdienstes informieren.
Ich brülle ins Telefon, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht da bin, geplatzt bin, auf Weltreise bin, im Urlaub bin, im Nirwana bin, von Sinnen bin!
Susanne Berger versteht das sehr gut, aber ich müsse mich da schon auch etwas nach Herrn Seber richten, immerhin käme er ja rein zufällig extra aus Hamburg, um mich zu besuchen, daher wäre es sehr gut und wichtig, dass ich den Termin einhalten würde, das würde sie von einem Geschäftspartner wir mir eigentlich schon verlangen dürfen können, ich solle aber Bescheid sagen, wenn es mir nicht passen würde, das wäre einfach eine Sache der Höflichkeit.
Ich sage, es passt mir um 15.00 Uhr nicht, ich hätte da bereits einen Termin, ob wir den Termin um 10 Minuten nach hinten verlegen könnten, bis dahin müsste ich wieder frei sein.

Frau Berger kann das nicht verstehen, Herr Seber käme extra zufällig aus Hamburg in meine Gegend, um mich über die traumhaften Renditen der Big-Brother-Container zu informieren, mir quasi den Weg in eine unbeschwerte, sorgenfreie und glückliche Zukunft mit den Produkten des Ship-, Sail-,  Rail-, Fail-, Nail- und Heil-Containerdienstes   aufzuzeigen und gleich beim ersten Termin würde ich mich als derart unzuverlässig , ja, geradezu unwürdig und undankbar erweisen. Nein, mit jemandem wie mir möchte der Ship-, Sail-,  Rail-, Fail-, Nail- und Heil-Containerdienst keine Geschäftsbeziehung eingehen,  da müsste ich noch etwas an meiner Organisation arbeiten, ich könne gerne wieder auf sie zukommen, wenn ich meine terminlichen Planungsschwierigkeiten besser im Griff hätte, sie wünsche mir ansonsten noch ein schönes Restleben und dann legt sie empört auf, ohne eine Antwort abzuwarten.

Verdammt. Vielleicht wäre das das Angebot meines Lebens gewesen. Und ich habe es verbockt. Manchmal entscheiden 10 Minuten über den Rest unseres Lebens. Ich Zwerg.

Freitag, 13. September 2013

Gott und die Welt


Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag. (Genesis 1.Mose, Vers 31)

Als ich Gott das erste Mal traf, saß er auf der Veranda von Joey´s am „Plaza de la Revolution“ in Havanna und nippte an einem Caipirinha. Er trug damals diesen albernen Strohhut, eine Sonnenbrille und ein ausgebleichtes schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck „What the hell“ und hellbraune Bermuda-Shorts. Er war sichtlich entspannt.

„Hallo“ sagte ich „Ich bin Thilo.“ Und er sagte „ich weiß“, was auch klar ist, denn schließlich war und ist er Gott. „Du kannst Jahwe zu mir sagen oder Allah oder Manitu oder Dieter, wie Du willst.“ bot er mir an und ich entschied mich, bei der doch eher unpersönlichen Anrede „Gott“ zu bleiben. „OK, aber das ist eigentlich nur mein Titel. Das ist, als würdest Du mich mit Doktor anreden, aber das ist auch in Ordnung für mich“ meinte er und fügte grinsend ein „mein Name ist Legion“ hinzu. Da mussten wir beide lachen.

Ich setzte mich hin, Gott wischte mit der Getränkekarte ein paar Pizzakrümel vom Tisch und bestellte zwei weitere Caipis. „Also Mann, was kann ich für Dich tun?“ fragte er. „Ich will es endlich wissen: warum gibt es so viel Elend auf der Welt, warum hat die eine Hälfte im Überfluss und andere müssen elend verhungern? Was hast Du Dir dabei gedacht?“

„Ich?“ Gott schien ehrlich verblüfft. „Ich hab damit gar nichts zu tun, ich habe Urlaub.“ „Bitte?“ „Ja klar, es ist der siebente Tag, ich ruhe mich aus, für den Scheiß seid Ihr ganz alleine verantwortlich, mein Job ist getan. Ich habe Euch eine echt klasse Erde gebastelt, mit allem Zipp und Zapp und Fjorden, Urwäldern und Wüsten, damit für jeden Urlaubstypen was dabei ist, aber weil ich Euch anscheinend zu wenig Hirn gegeben habe, macht Ihr nur Mist damit.“ „Moment“ entgegnete ich „Du kannst uns dafür nicht die Schuld gegeben. Du hast uns so gemacht, also beschwere Dich nicht.“ „Tu ich nicht, mir ist das doch wurscht, ich sitze hier in der Sonne bei diesem leckeren Getränk, das ich eine ziemlich clevere Eingebung fand und beantworte Deine Fragen. Du bist derjenige, der sich beschwert.“ 

Ach ja? „Ich dachte, Du liebst alle Menschen und dann sitzt Du hier in der Sonne und schaust zu, wie sie sich gegenseitig das Hirn einschlagen? Alleine schon deswegen, weil sie nicht sicher sind, ob sie Dich Allah oder Jahwe nennen sollen? Nennst Du das Liebe?“ „Jepp.“ Gott nippte an seinem Getränk. „Ich habe Euch einen Verstand gegeben, damit Ihr ihn gebraucht. Wenn mich also überhaupt ein Verschulden trifft, dann das, dass ich Euch keine Gebrauchsanweisung mit dazu in die Hand gedrückt habe. Aber im Grunde bin ich fertig. Mit Euch. Ein bisschen müsst Ihr auch selbst Verantwortung übernehmen.“

„Du könntest Dich vielleicht mal offenbaren, damit jeder weiß, was Sache ist und diese dämlichen Religionsstreitereien aufhören“ schlug ich vor. „Und an was denkst Du da? Soll ich wieder den brennenden Dornbusch machen? Mal wieder 90% von Euch in einer Sintflut ersäufen? Irgendeinen von Euch kreuzigen lassen? Oder ein Buch diktieren? Ihr glaubt doch sowieso nichts.“ sagte er und klang dabei etwas resigniert.

„Ja, bin ich Gott oder Du? Mache eine weltweite Fernsehansprache, reite auf einer Wolke oder brenne Deinen Namen jedem Menschen auf die Stirn, irgendetwas Spektakuläres. Einem Typen, der sich die Fjorde oder Mallorca ausgedacht hat, sollte da doch etwas einfallen, der sollte doch Phantasie genug haben, sich zu offenbaren!“

Gott beugte sich vor, klopfte mir auf die Schulter und zeigte auf das Blumenbeet auf dem Plaza. „Was siehst Du?“ fragte er. „Ein Beet, was denn sonst?“ „Siehst Du?“ Gott lächelte „In diesem Beet befinden sich 63 Tulpen, 168 Bienen, 20 Fliegen, 63 Spinnen verschiedener Gattung, 12 Wespen, 388 Blattläuse und ein paar Millionen Mikroorganismen, Bakterien und Viren. Und alle leben da, sterben da, existieren da und sind da. Das alles habe ich geschaffen. Jetzt sag Du mir: wie viele Offenbarungen braucht Ihr noch?“
Ich schluckte. Da hatte er recht, der Gott. Man musste nur hinsehen. 

Gott stand auf und klopfte mir noch einmal auf die Schulter. „Du zahlst übrigens“ sagte er und tippte grüßend mit dem Zeigefinger an die Hutkrempe. „Man sieht sich“ sagte er auch noch. Dann verschwand er im geschäftigen Trubel auf dem Plaza. Und ich hatte die Rechnung an der Backe. Wie immer, wenn ich mit Gott redete. Elender Schnorrer.

Montag, 9. September 2013

Nach Erlangen ist es nicht so weit

Ich sitze im Speisewagen irgendeines ICE "Eva Braun" zwischen Leipzig und Eisenach und bin so mehr oder weniger gezwungen, den Dialog des alten Ehepaares am Nachbartisch mitzuhören. Beide dürften sich aus irgendeiner kurzen Entfernung den 70 nähern, beide sind leicht überdurchschnittlich gut gekleidet und beide unterhalten sich, nachdem sie beide erst 10 Minuten wortlos aus dem Fenster gestarrt ha...ben, auf eine geradezu lorioteske Weise. Sie legt völlig spontan und komplett ohne Zusammenhang los, da ihr anscheinend ein entsetzlicher Gedanke durch den Kopf schießt:

Sie: Du hast für Obersdorf die richtigen Schuhe an.
Er: Was?
Sie: DU HAST DIE RICHTIGEN SCHUHE AN!
Er: Wofür?
Sie: Für Obersdorf.
Er: Ja.
Sie: Ich habe die falschen Schuhe.
Er: Wieso?
Sie: Ich kann in denen nicht laufen.
Er: Aber Du läufst doch.
Sie: Ja, aber nicht in Obersdorf.
Er: Nein, nicht in Obersdorf.
Danach ca. 60 Sekunden Schweigen. Beide sehen wieder aus dem Fenster. Dann, unvermittelt...
Sie: Erlangen ist auch schön.
Er: Ja, ist auch schön.
Sie: In Erlangen wohnt jetzt auch der Sohn von Frau Nitzschke.
Er: Ja.
Sie: Der studiert da.
Er: ...
Sie: Nach Erlangen könnten wir auch mal wieder.
Er: Ja. Erlangen.
Sie: Ich sach ja immer, von Erlangen aus isses gar nicht so weit.
Er: Wohin?
Sie: Von uns aus.
Er: Dann musst Du das anders sagen.
Sie: Was?
Er: Von uns aus isses gar nicht so weit nach Erlangen.
Sie: Sach ich doch.
Er: Nein. Tust Du nicht.
Pause
Er: Das Paket aus Harrington müsste bald da sein.
Sie: Das ist ein schweres Paket.
Er: Die bringen das.
Sie: Oder wir holen es ab.
Er: Das wird mit dem Roller nicht gehen. Dafür ist es zu schwer.
Sie: Dann müssen die das bringen.
Er: Ja, die Post muss das bringen.
Sie: ...oder die DHL.
Er: Die Post ist die DHL.
Sie: Oder mit UPS.
Er: Heute ist aber Feiertag.
Sie: Dann muss das Frau Nitzschke für uns annehmen.
Er: Du hörst nicht zu, heute ist Feiertag.
Sie: Wir sind ja auch nicht daheim.
Er: Die kommen heute nicht, frühestens morgen.
Sie: Da ist Frau Nitzschke nicht da.
Er: Wir können es auch abholen.
Sie: Aber nicht mit dem Roller.
Er: Nein, dafür isses zu schwer.

Wir erreichten danach Eisenach und die beiden Bekannten von Frau Nitzschke mussten aussteigen. Ich werde nie erfahren, wie es sich in Obersdorf in Damenschuhen läuft, warum es nach Erlangen nicht so weit ist und ob das schwere Paket aus Harrington je ankam. Aber ich bedanke mich bei meinen unbekannten mitreißenden Mitreisenden für den tiefen Einblick in die menschliche Psyche nach 40 Jahren Ehe, wenn man sich einfach auch nur noch mit einfachen Sätzen versteht. Und, an Frau Nitzschke, sollten Sie das je lesen: ziehen Sie weg. Weit weg. Also nicht nach Erlangen! Nach Erlangen ist es nicht so weit.

Freitag, 14. Juni 2013

Da lacht der Außerirdische, der Terraner wundert sich

Auf den Voyager-Sonden sind Schallplatten angebracht, die neben typischen Geräuschen der Erde (Wahlgesänge, Wind, Donner, Autounfälle, Furzkissen, Faxempfang, Toilettenspülung, Streitendes Ehepaar in der Nachbarschaft, Martinshorn, mit-den-Fingernägeln-über-eine-Schultafel-kratzen) auch Grüße in 55 Sprachen an potentielle außerirdische Finder ausrichten.

Die Grüße selbst sind vom Grunde her banal (Deutschland grüßt mit einem postkartenbiederen "Herzliche Grüße an alle", fehlt noch ein "Das Wetter ist fantastisch, aber das Hotel, naja und das Essen ist auch nicht so dolle"), nichtsdestotrotz haben sich einige Sprecher doch sehr - seltsame Grüße einfallen lassen.

Meine persönliche Hitliste:

10) Kurz und bündig die ausgestorbenen Hethiter: "Ashshuli"
Klingt wie eine Erkältung und bedeutet kurz und knackig "Heil" und ist wohl der Hoffnung geschuldet, dass es da draußen doch irgendwie "Reichsflugscheiben" der Hethiter gibt

09) Die Italiener sind begeistert: "Tanti saluti e auguri"
"Viele Grüße und Glückwünsche" - zum Beispiel dafür, die Sonde soeben von der Frontscheibe des UFOS gekratzt zu haben

08) Die Chinesen hingegen sehr höflich, aber direkt: 各位都好吧?我们都很想念你们,有空请到这来玩
Das ist eine sehr konkrete Einladung und bedeutet: "Hoffen, Euch allen geht es gut. Wir denken an Euch alle. Bitte, kommt hierher und besucht uns, wenn Ihr Zeit habt!"
Jo, mal schauen - Supernova gucken am Dienstag, Mittwoch Meteoritenschauer - vielleicht könnten es die Außerirdischen am Donnerstag zwischen der Gravitationsanomalie und dem Warpkernbruch einrichten...?

07) Dieser freundlichen Einladung folgt etwas Ähnliches auf Amoy: "Freunde im Weltraum, wie geht es Euch allen? Habt Ihr schon gegessen? Kommt und besucht uns, wenn Ihr Zeit habt". Das finde ich etwas gruselig. Wen oder was sollen die außerirdischen Finder essen? Ich hab so eine Idee, aber... Nein, nicht im Ernst. Oder doch?

06) Eine Schwedin hat anscheinend die Bänder verwechselt und statt des richtigen Textes ihr Tape mit der Kontaktanzeige gesendet: "Hälsmingar från en data programmerare i den lilla universitats staden Ithaca på planeten jorden"
Tatsächlich: "Grüße von einer Computerprogrammiererin in der kleinen Universitätsstadt Ithaca auf dem Planeten Erde." Sucht hier jemand den ersten exterrestrischen Ehepartner? Das dürfte spannend werden.

05) Auf Radschastani werden die Außerirdischen etwas, hmm, unfreundlich angesprochen. "Hallo an alle. Wir sind hier glücklich, und Ihr seid dort glücklich." Geistiger Nachsatz: "Bitte bleibt, wo Ihr seid und kommt lieber doch nicht zum Essen."

04) Bei den Türken herrschte hingegen orientalischer Optimismus: "Sayın Türkçe bilen arkadaşlarımız, sabah şerifleriniz hayrolsun!", auf Deutsch: "Liebe türkischsprechende Freunde, mögen die Ehrenbezeigungen des Morgens über Euren Häuptern sein". Klar, Außerirdische sind Freunde - wenigstens, wenn sie türkisch sprechen. Das kenn ich aus Frankfurt. Was aber bitte sind "Ehrenbezeigungen der Morgens"?

03) Die Franzosen halten es da eher salopp: "Bonjour tout le monde" - "Guten Tag, allerseits". Das hat was von einem entspannten "Hallo erstmal".

02) Auf Pandschabi wird es gemütlich: "Willkommen daheim. Es ist eine Freude, Euch zu empfangen." Macht es euch auf dem Sofa bequem, lasst aber bitte die Flossen an.

01) Der absolute Oberkracher aber und daher berechtigter Platz 1 ist die indonesische Botschaft: "Selamat malam hadirin sekalian, Selamat berpisah, Sampai bertemu lagi dilain waktu." was bedeutet "Gute Nacht, meine Damen und Herren. Lebt wohl und auf Wiedersehen das nächste Mal." Gab es je einen hübscheren Rausschmiss von extraterrestrischen Lebensformen aus der terranischen Kneipe?

(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Grußbotschaften_auf_der_Voyager_Golden_Record)

Montag, 27. Mai 2013

Patsch

Neulich war ich an einem spannenden und unbekannten Ort: meinem Keller. Dieser Gruft meines bisherigen Lebens, in dem all die Dinge aufbewahrt werden, die ich vielleicht noch einmal brauchen könnte, man weiß ja nie, was noch kommt. Beispielsweise die Zahnarztrechnung von 1995. Der damalige Zahnarzt ist zwar schon tot, aber wenn ich in 5 Jahren neue Zähne bräuchte und der Zahnarzt fragen würde, wie alt meine bisherigen Kronen wären, dann könnte ich sagen, „he“. „He“ könnte ich sagen, „hier ist meine Rechnung von 1995, da sehen Sie genau, was gemacht wurde – und was das gekostet hat. Rechnen Sie Ihren Preis einfach mit der Inflationsrate hoch“.

Oder vielleicht kämen die Erben des Zahnarztes und würden behaupten, dass ich die Rechnung von 1995 noch nicht bezahlt hätte, dann könnte ich ihnen meine Rechnung mit meinem Vermerk „bezahlt am 23.7.1995“ unter die Nase halten und wäre fein raus.

Dann habe ich in einem Kästchen noch etwas Spannendes gefunden: einen Stempel mit der Aufschrift „Duplikat“. Ich habe seit Jahrzehnten kein „Duplikat“ mehr abgestempelt. Immer nur auf die Kopie „Kopie“ mit Word geschrieben. Spätestens seit Windows95. Dies bedeutet, dass dieses Kleinod der Buchdruckkunst, dieses gutenbergsche Erbstück aus der Renaissance, dieses wahrhaft archaische Instrument der Verfielfältigungsbeglaubigung seit wenigstens knapp 20 Jahren bei mir im Keller liegt.
Was waren das noch für Zeiten, als sich schlechtgelaunte Postbeamte am schlechtgelaunten Postbeamtenbriefeinlieferungsschalter damit beschäftigten, auf die liebevoll von hinten geleckte Marke mit einem satten Knall einen Postzeichenentwertungsstempelabdruck zu schlagen, quasi als akustisches Zeichen, dass mein Brief mit der Bitte um den väterlichen Scheck nun in der Verfügungsgewalt der Deutschen Bundespost war und seiner Beförderung durch hochkompetente Postbeförderungsbeamte harrte.

Aus und vorbei. Eine unbarmherzige Computerisierung hat dem guten alten, leicht übergewichtigen Postbeamten unbarmherzig den Garaus gemacht und ihn durch die Gemüseverkäuferin im Supermarkt oder, in den Hauptpostämtern, durch den guten alten, leicht übergewichtigen Customer-Client-Relationship-Manager ersetzt, der die Bitte nach einer Rolle selbstklebender Briefmarken mit der Frage kontert, ob ich denn schon die wunderbare Finanzerlebniswelt der Postbank kenne und diesbezüglich dringend eine Beratung wünsche. Was ich aber stets nicht wünsche. Ich wollte nur Briefmarken, sonst nichts.
Ich stecke den Stempel in die Tasche. Gutenbergs Erfindung war für die Welt und ihre Geschichte zu wertvoll, um in meinem Keller ein karges Dasein bis zu seiner Verrottung zu führen.

Und tatsächlich: im nächsten Kundengespräch drücke ich meinen „Duplikat“-Stempel mit dem berühmten satten „Patsch“ auf die Kundenkopie, die ich soeben mit Word ausgedruckt habe und ernte ein erstauntes „das nenne ich aber mal ein antiquiertes Geräusch“.
Mein Gegenüber hat verstanden. Der satte Knall des Stempels signalisiert „Basta. Der Vorgang ist abgeschlossen“.

Seitdem stemple ich wieder. Stempeln macht Spaß, wirkt irgendwie offiziell und lässt keine Wünsche offen. Keine rote Linie unter einem falsch geschriebenen Wort, keine Veränderungen des Schriftgrades möglich, keine Fonts, keinen Irrtum, kein garnichts. Mein Stempel und ich. Immer das gleiche Wort, egal, wie oft ich ihn irgendwo draufhaue, immer in schöner Regelmäßigkeit. Und ich schwöre: so lange es noch Stempelkissen gibt, werde ich allem wenn irgendwie möglich meinen Stempel aufdrücken.
Allerdings beschäftigt mich doch immer noch eine Frage, die mir auch das Internet nicht beantworten konnte: wie bekommt man Stempelfarbe aus dem Hemd, wenn ich mir versehentlich den Ellbogen aufs Stempelkissen gelegt habe?

Donnerstag, 2. Mai 2013

Ein schlimmes Los


Mir waren neulich die Zigaretten ausgegangen und da dachte ich mir „Och Thilo“, dachte ich mir, „och Thilo, geh doch mal in den Lottoladen um die Ecke und hol Dir Zigaretten“.
Und das habe ich dann auch gemacht. Vor mir stand ein älterer Herr in etwas fadenscheiniger Kleidung, den ich hier schon öfter gesehen hatte und verlangte einen Lottoschein, weil es irgendwie diese Woche 10 Trillionen Euro zu gewinnen gäbe und da könne man auch schon mal ein paar Euro riskieren. Und weil ich ja selbst auch beruflich mit Aktien zu tun habe, fand ich in diesem Fall das Risiko-Gewinnverhältnis recht akzeptabel und habe mir auch einen Lottoschein geschnappt, weil ich mit 20 Trillionen Euro auch sehr gut leben und mir ganz Griechenland kaufen könnte. Inklusive der Einwohner. Und der Schafe. Das fände ich cool.

Mein Problem dabei: auf so einem Schein stehen ja 49 Zahlen drauf, von denen ich aber nur sechs nehmen darf. Und ich wusste leider nicht, welche Zahlen richtig sind und da hätte ich raten müssen. Allerdings sind mir als erwachsenem Menschen mit Lebenserfahrung Probleme mit sechs Unbekannten nicht unbekannt, schließlich war ich schon auf mehreren Stehpartys, bei denen auch Alkohol getrunken wurde.
Ich habe also das gemacht, was ich bei ähnlichen Problemen schon in der Schule gemacht habe und mich neben den älteren Herrn an das Stehpult gestellt und versucht, bei ihm abzuschreiben.

Zuerst hat er nur irritiert geschaut, dann seinen Schein mit der linken Hand abgedeckt. „Entschuldigung“ sagte ich „aber ich sehe so nichts“. „Sollen Sie ja auch nicht, das sind meine Zahlen“ hat er geantwortet, was ich unfair fand. „Ja, aber ich weiß doch die richtigen Zahlen nicht, wie soll ich denn da gewinnen, wenn Sie mich nicht abschreiben lassen?“ „Ja, glauben Sie, ich weiß die?“ hat er zurückgefaucht.
„Hören Sie: ich sehe Sie hier ziemlich oft mit Lottoscheinen hantieren, was erstens bedeutet, dass Sie sich auskennen und Erfahrung haben und zweitens die Hoffnung noch nicht verloren haben“ – „und drittens noch nie den Jackpot gewonnen habe oder warum, glauben Sie, stehe ich hier immer noch herum?“ hat er meine Aufzählung ergänzt.

Da war was dran, andererseits… „Nachdem Sie doch Dauerspieler sind und noch nie was gewonnen haben, steigt doch die statistische Wahrscheinlichkeit mit jedem neuen Schein, dass Fortuna mit Ihnen ein Einsehen hat und Ihnen den Hauptgewinn gönnt. Daher ist es nur logisch, dass ich Ihre Zahlen verwende!“
„Ja, dann kaufen Sie sich doch selbst 20 Jahre Lottoscheine, dann haben Sie die gleiche Erfahrung“ gab er zurück. „Guter Mann: in meinem Beruf bin ich es gewohnt, von den Besseren zu lernen. Sie sind für mich der Lottomeister und ich fände es toll, wenn Sie mich von Ihrem Erfahrungsschatz profitieren lassen würden. Ich habe keine Lust, 20 Jahre lang Lotto zu spielen, wenn Sie dies schon getan haben. Das wäre Verschwendung von finanziellen und ökonomischen Ressourcen.“

Er sah mich einen Augenblick lang fassungslos an, dann grinste er sardonisch: „Erfahrung kostet Geld. Für 200,- € lasse ich Sie abschreiben“ sagte er. Gut, das ökonomische Prinzip hatte er anscheinend vom Grunde her verstanden. Wir konnten also verhandeln: „200,- €? Das ist dann doch etwas happig und macht pro Zahl 33,- Euronen. Welche Garantie habe ich auf den Gewinn?“ „Nur meine Erfahrung und die statistische Wahrscheinlichkeit.“ „Haben Sie die Zahlen letzte Woche schon gespielt?“ „Ja“ „Und Sie glauben, diese Woche klappt es, weil es letzte Woche nicht geklappt hat?“ „Ich hoffe es.“ Gut, Hoffnung für 200,- € konnte ich auch in der Kirche haben. So kamen wir also nicht weiter.
„Ich habe eine bessere Idee: ich zahle die Hälfte Ihres Lottoscheines und Sie geben mir die Hälfte vom Gewinn, so als kleinen Anreiz für uns beide“ schlug ich vor.

„Nein“ hat er gesagt.
„Warum nicht?“

„Weil ich dann teilen muss, und das mache ich ungern.“
Das war zwar menschlich verständlich, aber ökonomischer Unfug. „Sehen Sie“ sage ich „deswegen lässt Sie Fortuna hängen. Weil Sie ein Egoist sind. Fortuna gibt Ihnen nichts, weil Sie nicht teilen wollen.“

„Wollen Sie denn gerne teilen?“ „Schon, wenn es ein fairer Deal ist.“ „Dann machen wir jetzt Folgendes:“ schlug er vor „ich fülle meinen Schein wie immer aus und Sie nehmen Ihren eigenen Schein und tragen da Ihre Zahlen ein und wenn einer von uns beiden gewinnt, dann teilt er die Hälfte mit dem Anderen.“
Damit war ich einverstanden. Wir haben das auf der Rückseite eines Lottoscheines schriftlich fixiert und dann habe ich irgendwelche Zahlen angekreuzt und „Erster“ gesagt.

„Und? Welche Zahlen haben Sie genommen?“ „Eins bis Sechs.“ „Das sind blöde Zahlen.“ „Warum?“ „Weil die in dieser Reihenfolge noch nie gekommen sind.“ „Na, dann wird’s doch Zeit. Ihre Zahlen sind ja auch noch nie gekommen. Die statistische Trefferquote ist bei Ihren Zahlen genauso hoch wie bei meinem Tipp.“ „Nein, sind sie nicht.“ „Warum nicht?“ „Weil… weil das EBEN SO IST.“ Jetzt war er trotzig. „Sie meinen, meine Zahlen kommen nicht dran?“ „Ja.“ „Sicher?“ „So sicher, wie ich hier stehe.“ „Und Sie lassen mich nicht abschreiben?“ „Nein.“ „Sicher?“ „Ja“.
Ich habe dann meinen Zettel zerrissen und auch den mit der Tippvereinbarung. Wer meine Zahlen nicht mag, der mag auch mich nicht und den mag ich auch nicht. Ich habe dann für einen Euro so ein Los gekauft und sofort 20,- Euro gewonnen.

„Sehen Sie? Ich hätte geteilt, deswegen hat mir Fortuna 19,- Steine geschenkt“ habe ich ihm gesagt. Er hat darauf „erstick dran“ gesagt und so haben sich unsere Wege getrennt.
Das Ganze ist jetzt ca 8 Wochen her und ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen. Allerdings wurde der Jackpot an diesem Wochenende geknackt. Ich wüsste jetzt doch zu gerne…

Samstag, 16. Februar 2013

Malta im Februar

So, da bin ich wieder. Eine Woche Malta hab ich hinter mir.

Tja, was kann man über Malta erzählen? Malta ist eine sehr kleine, aber breite und ziemlich braune Insel. Das hat Malta mit den Malteken (nicht "Maltesern", aber dazu später) gemeinsam. Malta liegt ziemlich bräsig und faul im Mittelmeer herum und weil es so gut wie keine Sandstrände hat, können die Malteken ihren Hobbies "seltsame Sprache sprechen", "Hasen essen" und "gebrauchte Kleinwagen fahren" ziemlich ungestört von den großen Tourismusströmen nachgehen, sicher gelegentlich unterbrochen von Kreuzfahrtschiffen mit italienischen Kapitänen, die eigentlich Mallorca anfahren wollten.

Malta kann auf eine sehr reiche Geschichte zurückblicken, die leider immer die Geschichte von anderen Nationen ist, die gerade Malta erobert hatten. Die Ureinwohner Maltas waren Gerüchten zufolge Schimpansen, die Malta aus Versehen irgendwann in der Kreidezeit besiedelt haben. Diverse über die Landschaft verstreute Felsbrocken geben darüber ungefragt Auskunft.

Ansonsten haben sich auf der Insel abwechselnd Phönizier, Griechen, Karthager, Römer, Normannen, Araber, Italiener und Türken die Füsse plattgetreten, wenn ihre Schiffe dort gestrandet sind und sie von den Ureinwohnern ausgeraubt und geplündert wurden. Diese schöne Tradition hat sich bis heute im Bezug auf Fremde erhalten.

Am Längsten haben es auf Malta die maltesischen Ritter des Johanniterordens ausgehalten, die die Insel quasi als Entschuldigung für die Weigerung zu helfen bekommen haben, als sie von den Türken aus Zypern geschmissen wurden. Und es sind tatsächlich die Malteser, die Malta ihren Stempel aufgedrückt haben, indem sie das Eiland in freudiger Erwartung eines Angriffs von vorne bis hinten mit Festungen überzogen haben. Und weil es ein sehr gläubiger Ritterorden war, haben sie das auch mit Kirchen getan, alles in einem Aufwasch. So kommt es, dass heute auf einen Malteken zwei Festungen und drei Kirchen kommen. Die Malteser haben sich ausserdem aus Frust jeden Tag eine Flasche Schnaps gegeben (und nicht nur sich, denn als ungeschickte und barmherzige Ärzte auch ihren Kranken und Verwundeten) und damit, das ist auch schon so ziemlich der einzige Kulturbeitrag Maltas zum Welterbe, der Welt den "Aquavit" spendiert.

Es gibt im Vergleich zu Budapest nur ganz sporadisch und vereinzelt Denkmäler auf Malta, denn während die Ungarn wenigstens sinnlose Sachen erfunden haben, beschränken sich die technischen Innovationen der Malteken auf den Gebrauch eines Stuhls, um an ein höherliegendes Regal zu kommen. Die vereinzelt herumstehenden Monumente erinnern allesamt an die Ereignisse, bei denen es fremden Invasoren nicht gelungen ist, die Insel und ihre Hasen und Bewohner nicht zu erobern. Deswegen sind es so wenige.

Das moderne Malta zahlt heute in Euro, hat Linksverkehr, als offizielle Sprache so eine Art Englisch und exportiert in der Hauptsache Müll. Denn mit Sauberkeit und Ordnung hat es der Malteke nicht so. Gerne werden Verpackungen oder leere Dosen und Plastikflaschen einfach da fallengelassen, wo sie unnütz geworden sind, was Malta neben den hochgradig bröckelnden Fassaden der Uraltstädte einen gewissen pittoresken und orientalisch anmutenden Charme verleiht. Ausserdem auch den entsprechenden Geruch, wenn es warm ist. Es gibt zwar überall Mülleimer, deren Funktion ist allerdings dem Harry Normalmalteken unbekannt, weswegen sie auch eher dekorativen Charakter haben. Man könnte, wenn man wollte, aber man muss ja nicht. Malteken sind durch den Aquavit ziemlich seuchenresistent.

Die Hauptstadt Maltas heisst "Valetta" und wurde von einem Typen gegründet, der zufällig Valleta hiess, sonst hiesse sie vielleicht Müller oder Schmidt. Valetta hat eine sehr schöne und auch einzigartige, vermutlich auch die einzige Haupstrasse, auf der man beim Flanieren die Fastfoodlokaldichte der Stadt bewundern kann, schlicht, indem man die Namen auf den weggeworfenen Müllstücken liest.

Zu erwähnen ist vielleicht noch, dass die Kathedralen und Kirchen auf Malta allesamt zwei Uhren besitzen, die unterschiedliche Zeiten anzeigen, der Legende nach, um den Teufel zu verwirren, der Praxis nach aufgrund der Unfähigkeit maltekischer Uhrmacher, wenigstens zwei annähernd synchron laufende Uhrwerke zu bauen. So sind die einzigen, die verwirrt sind, die Malteken, weswegen Pünktlichkeit auch nicht zu den Primärtugenden des Malteken zählt.

Doch, war schön da. Es hat wenigstens nicht geschneit.

Dienstag, 29. Januar 2013

Alarmierend: 80% aller Arbeitnehmer müssen arbeiten

Berlin: nach neuesten Studien der Agentur für Arbeit in Zusammenarbeit mit infratest dimap müssen knapp 80% aller Arbeitnehmer arbeiten. Wie der Sprecher der Bundesagentur, Dr. Rainer Hohn, am Montag verlautbaren lies, seien diese Zahlen alarmierend. Ein Hochtechnologieland wie Deutschland könne es sich eigentlich nicht leisten, Arbeitnehmer zur Arbeit zu zwingen. Vor allem in der Privatwirtschaft seien viele Arbeitnehmer gezwungen, während ihrer Arbeitszeit unter teilweise unmenschlichen Bedingungen tätig zu sein. „Arbeitszeiten ab beispielsweise 8 Uhr morgens sind keine Seltenheit“ so Hohn wörtlich. „Bis zu 6, teilweise bis zu 8 Stunden am Tag werden so Familien ein Teil der Eltern oder sogar beide Eltern entzogen“ so Hohn weiter. Etwas besser sähe die Lage im öffentlichen Dienst und bei Beamten aus, hier würden Arbeitnehmer während der Arbeitszeit nicht voll durch Arbeit belastet. Insgesamt aber sei die Situation unbefriedigend.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Gewerkschaft Verdi haben bereits umfangreiche Maßnahmen und Protestaktionen angekündigt. Sie wollen verstärkt darauf aufmerksam machen, dass Arbeit im Grunde nur mehr Arbeit nach sich zieht. Es könne nicht sein, so Gewerkschaftssprecher, dass Menschen während ihrer Arbeitszeit einem Leistungsdruck ausgesetzt würden, der in einzelnen Fällen sogar bis zur Rente andauere. Unter dem Motto „Arbeit adelt, aber der Feudalismus wurde abgeschafft“ sind in mehreren Städten Aktionen gegen Arbeit am Arbeitsplatz geplant.

Auch der Weihbischoff von Fulda und Herleshausen, Konterkardinal Klappstuhl, hat die Ergebnisse der Studie, so wörtlich, als „erschreckend und unchristlich“ bezeichnet. „Gott hat schon genug gearbeitet und wer schläft, sündigt nicht. So gesehen ist jeder Zwang zur Arbeit gleichzeitig auch eine Aufforderung, Sünde zu begehen. Dies kann nicht im Sinne christlicher Toleranz und Nächstenliebe sein“, so Kardinal Klappstuhl, bevor er sich in den Feierabend verabschiedete.

„Nicht überraschend“ nennt hingegen der Zentralrat der Muslime ZdM die Ergebnisse der Studie und forderte eine breite gesellschaftliche Integrationsdebatte. Viele Zuwanderer seien mit der Forderung nach Leistung während der Arbeitszeit überfordert und unangenehm überrascht, insbesondere dort, wo auf religiöse oder kulturelle Eigenarten keinerlei Rücksichten genommen werde. So hätten sich auf vielen Arbeitsplätzen die Forderungen nach Gebetspausen oder getrennten Räumlichkeiten für männliche und weibliche Arbeitnehmer noch immer nicht durchgesetzt. Dies treibe ausländische Mitbürger in die gesellschaftliche Isolation und Ausgrenzung und führe zu einer Arbeitsverweigerungshaltung und letztlich zu Extremismus. 

Unterdessen erwägt die Linksfraktion im Bundestag eine Verfassungsklage. „Die Zeiten, wo Arbeit frei macht, sollten endgültig hinter uns liegen“ sagt die Vorsitzende der Parlamentarischen Ausschussgruppe im Bundestag, Birke-Frauke Rotkehl-Dompfaff. „Der Zwang zu Arbeit und Leistung ist nur eine Weiterführung der faschistischen Ideologie im neuen Gewand.“ Als Beispiel, dass es auch anders geht, nannte Rotkehl-Dompfaff die Kaimann-Inseln und das Mururoa-Atoll. Sicher seien die Verhältnisse nicht 1:1 auf die Bundesrepublik übertragbar, aber hier sei dafür das Wetter auch schlechter. Daher fordere die Linke schon seit langem hitze- und regen- und schneefreie Tage für Arbeitnehmer und Geringverdiener. „Aber uns hört ja sowieso keiner zu“, so Rotkehl-Dompfaff weiter.

Scharfe Kritik an der Studie kommt hingegen von der FDP. So seien in der Studie reine Beschäftigungsverhältnisse ohne konkrete Arbeitsvorgaben und Künstler völlig unberücksichtigt geblieben. Es könne nicht sein, dass lediglich Arbeitnehmer betrachtet würden, das ganze Gesocks aber, das täglich in Talkshows, Dschungelcamps und Reality-Dokumentationen abhinge, nicht in die Studie mit einbezogen worden wäre. Hier würde Geld verdient, ohne dass konkrete Leistungen erbracht würden. Gleiches gälte auch für Parlamentarier und Bundespräsidenten. Aus diesem Blickwinkel sei die Studie zumindest unvollständig, wenn nicht wertlos.

SPD und Grüne haben sich unterdessen auf ein gemeinsames Thesenpapier zur Bundestagswahl geeinigt, in dem ein unbeschränkter Zugang zu Freizeit sowie eine völlig flexibilisierte und freie Einteilung der Arbeit während der Arbeitszeit grundgesetzlich verankert werden soll. „Jeder Arbeitnehmer muss selbst entscheiden können, ob er während der Arbeitszeit auch tatsächlich arbeiten möchte oder nicht“ so ein namentlich nicht genannt werden wollender Parlamentarier. „Auch Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie Urlaub und Krankheitstage müssen flexibler gestaltet werden, ist zwar Quatsch, aber mit irgendetwas müssen wir ja an den Start gehen, egal, wie absurd“ so der Sprecher weiter.

Die Bundeskanzlerin selbst will erst die weiteren Studien und vor allem die Reaktionen in der Bevölkerung abwarten, bevor sie sich weiter äußert. Wie die Bundeskanzlerin am Abend weiter sagte, wolle sie erst wissen, wie sie sich verhalten soll, um wieder gewählt zu werden. Hierfür seien noch tiefere Untersuchungen der Stimmungslage in der Bevölkerung und den Medien notwendig.

Klar Stellung bezogen hat hingegen ThiloS. Er sagte, so wörtlich, „lasst mich in Ruhe meinen Schaff machen und geht mir mit Eurem Geschiss nicht auf den Sender.“

Freitag, 25. Januar 2013

Servicewüste Deutschland

Also, das war so: ich hatte mir im Baumarkt eine Digitalwaage gekauft, nichts Dolles, eine „Venus“ für 29,90 €, dafür aber konnte sie nicht nur das Gewicht anzeigen, sondern auch den Körperfettanteil, die Schuhgröße, die Uhrzeit, die Körpertemperatur und den Intelligenzquotienten. Das fand ich ganz cool. Ich habe die Waage an der Kasse bezahlt, wurde noch gefragt, ob ich den Einkaufsbeleg möchte, was ich dankend abgelehnt habe, weil es nur eine Waage und damit in meinem Beruf nicht steuerlich absetzbar war und habe das Teil mit nach Hause genommen. Bis hierher banal.

Gleich bei der Erstbesteigung habe ich allerdings zu meinem Unwillen bemerken müssen, dass zwei Digitalstellen der Gewichtsanzeige fehlten. Die waren nicht da.

Wenn man bei einer Digitalanzeige so schräg guckt, dann sieht man ja, ob da im Rohzustand Achten stehen. Wenn da also vier Achten stehen, dann sind alle Digitalanzeigen vom Grundsatz her vorhanden und darstellbar. Theoretisch. Ich hatte aber bei den letzten beiden Stellen tatsächlich nur zwei E´s da stehen, was als Anzeige wie 8E,E und am Tag drauf wie 8E,C aussah (gewogen mit Unterhose und Brille). Aber eigentlich wollte ich mich wiegen und kein Algebra machen.

Nun könnte man ja sagen, „hey ThiloS“ könnte man sagen, „denk Dir die fehlenden Zeichen doch einfach dazu“, aber wenn ich eine Hochgeschwindigkeitswaage von „Venus“ für satte 29 €uronen und 90 Centinen kaufe, dann will ich dafür auch vier Digitalachten kriegen und nicht nur zwei. Das ist so ein prinzipielles Ding. Außerdem stand auch nicht auf der Packung „zahl vier Achten und bekomme nur zwei“. Stand nicht drauf, ich habe extra noch einmal nachgeguckt.

Nun hätte ich die Waage gerne zurückgegeben, umgetauscht, gewandelt, gemindert, was auch immer der Gesetzgeber vorsieht, sofern man einen Kassenzettel hat. Hatte ich nicht.

Es war also klar, was kommen würde. Ich würde zum Baumarkt gehen, die unwägbare Waage vorlegen, die Ladendunsel würde eine Quittung verlangen, die ich nicht vorlegen könnte, sie würde sich natürlich weigern, die Dreckswaage umzutauschen, ich würde sie sehr laut beschimpfen müssen, was der Baumarkt für ein Saftladen wäre, so einen Müll zu verkaufen, sie würde mit der Polizei drohen, ich würde lautstark den Geschäftsführer verlangen, sie würde zwei Mitarbeiter aus der Garten- und Baustoffabteilung rufen, die würden mich unterhaken und ´rausschmeißen, ich würde dann meinen Rechtsanwalt aufsuchen und den Baumarkt und den Waagenhersteller wegen Betruges anzeigen und wir würden die Bänder der Überwachungskamera zwecks Beweisaufnahme meines legalen Einkaufs anfordern, der Baumarkt würde eine Gegenanzeige wegen Hausfriedensbruch starten und mir außerdem ein lebenslanges Hausverbot für die Sanitärabteilung erteilen und in letzter Instanz würde ich vor dem Europäischen Gerichtshof zu meinem Recht kommen – spätestens, nachdem ich an die Verbraucherschutzministerin geschrieben hätte. Mit mir nicht!

Nun, ein guter Schlachtplan ist bereits ein halber Sieg. Am Abend laufe ich also in Hochstimmung und Kampfbereitschaft in jenem kleinen sympathischen Baumarkt ein, steuere kerzengerade auf die Information zu, knalle die Waage auf den Tresen und spreche „Geht nicht. Die Digitalanzeige ist unvollständig. Ich will das Ding umtauschen. Hab ich am Freitag hier gekäuft!“

Natürlich reagiert die Informationsschalterfrau wie erwartet: „Haben Sie den Kassenzettel?“

Na klar. Ich wusste es. Das wird jetzt hart werden. Ich fixiere sie aus zusammengekniffenen Augen, das macht Eindruck. „Nein“ sage ich „den habe ich weggeschmissen. Was machen wir jetzt?“

Ich meine, ihr eine Spur Agressivität anzusehen. Sie sagt, und ich merke ihr da bereits die Beherrschung an: „Ich mache Ihnen da jetzt einen Musteraufkleber drauf, dann gehen Sie zum Schalter in der Sanitärabteilung und sie bekommen eine neue Waage.“
Aha.

So eine ist das also.

Meint wohl, nur, weil ich keinen Kassenzettel dabei habe, lasse ich mich so einfach abfertigen. Ich wiederhole mich noch einmal langsam, da sie mich anscheinend nicht richtig verstanden hat: „Ich habe aber keinen Kassenzettel.“

„Kein Problem. Gehen Sie einfach in die Sanitärabteilung, die tauschen das um.“

Vielleicht ist sie ja taub oder grenzdebil. Ich gehe auf Nummer Sicher: „Ohne Kassenzettel?“

Sie bleibt aber hart. „Ja, kein Problem, hinten in der Sanitär…“ Ich unterbreche ihren Redeschwall, da sie anscheinend unwillig ist: „Hören Sie, ich habe keinen Kassenzettel, ich kann das nicht so einfach umtauschen. HALLOOOO! Sprechen Sie Deutsch? Verstehen Sie meine Sprache? KEIN KASSENZETTEL. ICH HABE KEINEN VERDAMMTEN KASSENZETTEL!!! NIX DA! ICH HABE NICHT DEN HAUCH EINES BEWEISES, DASS ICH DIESE FORMSCHÖNE NULLNUMMER DA BEI IHNEN GEKAUFT HABE!“

Sie sieht mich irritiert an. Wahrscheinlich gibt es irgendwo ein Baumarkt-Trainingslager, in dem man lernt, mit unzufriedenen Kunden umzuspringen. Aber auf die Tricks falle ich nicht rein! Sie lächelt, wie ich meine, frech: „Ich habe schon verstanden, dass Sie keinen Kassenzettel haben, ich bin weder taub noch grenzdebil. Wir sind der einzige Laden, der diesen Hersteller führt, es ist wirklich kein Problem, wir tauschen die Ware um…“

„Wirklich?“ Ich bin mir immer noch sicher, sie stellt mir eine Falle. Wahrscheinlich tauschen sie in der Sanitärabteilung tatsächlich die Waage um, wenn ich aber aus dem Laden wieder ´raus will, dann steht mir der Baumarktdetektiv gegenüber und verhaftet mich wegen illegalem Umtausch einer Waage. Kennt man ja, die Tricks. Oder ruft „haltet den Dieb, er hat unsere Venus-Waage geklaut“.

Ich fasse die Informationsbarfrau scharf ins Auge: „Und Sie verbürgen sich dafür, dass mir nach dem Umtausch freies Geleit zugesichert wird? Keine Tricks, keine Polizei? Ich kann also in die Sanitärabteilung gehen, die Waage umtauschen und einfach wieder so, mirnixdirnix, ganz unbehelligt aus dem Laden marschieren? Das wollen Sie mir wirklich erzählen?“

Wieder diese irritierte Blick. Wo lernt man das? „Ja natürlich. Kein Problem. Wir legen großen Wert auf zufriedene Kunden. Wollen Sie die Waage jetzt umtauschen oder nicht?“

Eigentlich habe ich zum Umtauschen jetzt so gar keine Lust mehr. Am liebsten würde ich den Geschäftsführer rufen lassen, um ihm mitzuteilen, dass sein Personal überhaupt nicht konfliktfreudig oder wenigstens –fähig ist. Ich möchte nicht wissen, wie viel betriebs- oder gar volkswirtschaftlicher Schaden so im Jahr durch kassenzettellose Warenumtauscher entsteht, nur, weil das Personal konfliktscheu ist. Ob sich meine Info-Frau wohl ihrer Verantwortung gegenüber ihrer Firma und der Gesamtwirtschaft bewusst ist?

„Na gut, ich riskiere es. Aber eines sage ich Ihnen gleich: Ich mache Sie PERSÖNLICH dafür verantwortlich, wenn das jetzt hier schiefgeht!“

Sie bleibt gelassen: „Guter Gott, vertrauen Sie mir. Gehen Sie nach hinten und tauschen Sie die Höllenwaage einfach um.“ „Aber Sie gehen mit!“ versuche ich einen letzten Widerstand.

Endlich wird sie aggressiv: „Gut, Programmwechsel. Sie bleiben hier stehen und ich tausche die Waage für Sie um. Danach komme ich wieder her, wir testen die Waage gemeinsam, dass sie auch wirklich einwandfrei funktioniert und Sie sind dann hoffentlich zufrieden. Und wissen Sie was? Den Kassenzettel drucken wir Ihnen auch gleich mit aus, damit Sie den auch haben. Wäre das so für Sie in Ordnung?“

„Kassenzettel?“ habe ich geantwortet „den brauch ich nicht“.

Der Notarzt hat dann drei Stunden gebraucht, um mir die Splitter der Venus-Waage aus dem Kopf zu holen. Es lohnt sich eben, wenn man nur hartnäckig genug auf seinem Recht besteht!